Das ist Rheinisch Du hast jemanden neben Dir gehen, und zwar sehr!
Rheinland · Der GA erklärt kurz und knapp alles, was man über den rheinischen Dialekt wissen muss. Immer mit dabei eine rheinische Redensart. Diesmal: Do häs schwer ene nevven d’r jonn!
Der Rheinländer ist ein Ehrenmann. Oder um alle zu subsumieren und niemanden auszuschließen: Der Rheinländer ist ein Ehrenmensch. Er weiß, welche ethischen Maßstäbe er an sich und sein Gegenüber anlegen kann und muss. Jedenfalls meistens. Um etwaige Abweichler auch angemessen zu sanktionieren, haben sich einige griffige Redensarten etabliert, von deren Fülle wir mal eine herausgreifen: „Pack disch enz an d’r Kopp und Aasch, of de noch do bess, do häs schwer ene nevven d’r jonn!“
Eine doppelbödige Beleidigung
Zugegeben, es handelt sich um einen ziemlich langen Satz. Wer es eilig hat oder auf Sprachökonomie Wert legt, kann ihn auch auf den dritten und letzten Teil reduzieren, und es ist immer noch klar, was gemeint ist. Um es vorweg zu nehmen, es handelt sich hier ganz klar um eine Herabstufung. Aber wir hatten ja schon festgestellt, dass der Rheinländer in dieser Disziplin dermaßen klug verfährt, dass man ihm meist nichts nachweisen kann. Er formuliert so präzise und geschickt, dass man ihm nie etwa einen strafrechtlich relevanten Vorwurf der Beleidigung machen könnte.
Denn wörtlich heißt der Satz auf Hochdeutsch: „Fass Dir mal an den Kopf und das Gesäß, ob Du noch da bist, Du hast jemanden neben Dir gehen, und zwar sehr!“ Das klingt doch alles sehr unspektakulär, und doch ist es sehr tiefgreifend gemeint.
Kopf und Hintern ertasten
Da rät also jemand jemand anderem, sich seiner Anwesenheit zu versichern, indem er mal mit den Händen seinen Kopf und Hintern ertastet. Die beiden Körperteile symbolisieren dabei Körper und Geist, oben und unten, also zusammengenommen die Ganzheit des Menschen. Die Frage lautet: Ist der Betreffende noch da oder schon in andere Sphären entschwunden? Dann wäre er gewissermaßen aus sich herausgetreten und würde neben seinem eigentlichen Ich stehen. Das ist eine schöne Metapher für den Befund, dass bei manchen Zeitgenossen das Selbstbild und das Fremdbild sehr weit auseinander liegen können.
Eine Frage der Selbstwahrnehmung
Und da die Selbstwahrnehmung der Menschen tendenziell eher zu positiv ist, könnte es sein, dass der Angesprochene in unserem Fall schlicht ein Angeber ist. Mehr Schein als Sein! Und das kann der Rheinländer gar nicht gut vertragen.
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