Das ist Rheinisch Dun mir ne halve Hahn!
Rheinisch · Der GA erklärt kurz und knapp alles, was man über den rheinischen Dialekt wissen muss. Immer mit dabei eine rheinische Redensart. Diesmal: Halve Hahn!
Wenn ein Rheinländer einen Nichtrheinländer aufs Glatteis führen möchte, dann ist der halve Hahn nicht weit. Wer auch immer neu ins Rheinland kommt, wird früher oder später mit dieser Anekdote seine Bekanntschaft machen. Sei es, weil er sie selbst erleben muss, oder sie ihm in schillernden Farben erzählt wird.
Der Versuchsaufbau ist wie folgt: Eine mehr oder weniger muntere Truppe aus Nativespeakern, also rheinischen Ureinwohnern, und Zugereisten besuchen – idealerweise in der Domstadt Köln – ein kölsches Brauhaus. Dort genießt man das eine oder andere Obergärige, wobei man sich als Neuling schon mal daran gewöhnen muss, dass der Kellner, hier: Köbes, automatisch ein neues Kölsch hinstellt, wenn das Vorgängermodell verkonsumiert ist. Dem kann man nur entgegenwirken, indem man den Bierdeckel auf das Bierglas – hier: Kölschstange – legt.
Wenn das kleine Hüngerchen kommt..
Unabhängig davon kann es passieren, dass sich während der Präsenzphase im Brauhaus ein Hüngerchen entwickelt, dem natürlich abgeholfen werden muss. Auf der Speisekarte steht dann unter anderem der verlockende „halve Hahn“. Und so ist es keine Seltenheit, dass jemand den Satz formuliert: „Dun mir ne halve Hahn!“ Das ist quasi ein ganz normaler Bestellvorgang.
Aber Vorsicht! Wer jetzt erwartet, etwa ein gut gegrilltes, knuspriges halbes Hähnchen serviert zu bekommen, der wird sehr enttäuscht. Denn tatsächlich bezeichnet der halve Hahn kein Geflügel, sondern ein Röggelchen, genauer: doppeltes Roggenbrötchen, mit mittelaltem Holländerkäse plus Senf und Zwiebelringen. So schwer das für uns auszusprechen ist: In Düsseldorf wird dasselbe unter demselben Namen mit Harzer Käse ausgegeben. Sei‘s drum.
Halve Hahn als Spaßbezeichnung
Der Mundartforscher Peter Honnen bezeichnet den halven Hahn als „Spaßbezeichnung“ und hat in Köln und Umgebung gleich mehrere Entstehungslegenden identifiziert. Im Kern sind sich alle ähnlich: Im 19. Jahrhundert hat ein Kölner Bürger in der Kneipe einen knusprig gebratenen halben Hahn für alle seine Gefährten bestellt, aber den Kellner gebeten tatsächlich ein Röggelchen mit Käse zu bringen. Dann habe er den Lacher auf seiner Seite gehabt, wie er sicher auch heute noch gelegentlich angebracht ist, wenn jemand in falscher Hoffnung bestellt.
Erklärungsansatz ist eine Sprachlegende
Zweifel an der Wahrhaftigkeit dieser Version sind angebracht, weil es zu dieser Zeit generell unüblich war, in Kneipen Hähnchen zu servieren, und das dürften alle gewusst haben. Außerdem, so berichtet Honnen, kannte man den Hahn seit dem 19. Jahrhundert auch in Thüringen und Sachsen als Bezeichnung für ein Gericht aus Käse, Brot und Butter. Heutzutage ist der Halve Hahn allerdings im Rheinland endemisch, also lokal auf eben das Rheinland begrenzt vorkommend.
Weitere Kolumnen sind in dem Buch “Rheinisch für Fortgeschrittene” erschienen, Edition Lempertz. Haben Sie auch eine rheinische Lieblingsredensart? Dann schreiben Sie uns an: rheinisch@ga.de