Das ist Rheinisch Een Ooch deiht vill am blinde Pääd

Rheinland · Der GA erklärt kurz und knapp alles, was man über den rheinischen Dialekt wissen muss. Immer mit dabei eine rheinische Redensart. Diesmal ist es: Een Ooch deiht vill am blinde Pääd

 Ein Auge macht viel aus an einem blinden Pferd.

Ein Auge macht viel aus an einem blinden Pferd.

Foto: GA-Grafik

Der Rheinländer ist vieles, aber ganz bestimmt kein Mathematiker. Deshalb kommen in seiner Sinnenwelt zuweilen Beispielrechnungen vor, die nicht unbedingt vom Wissenskanon der Schulmathematik abgedeckt sind. In handelsüblichen Formelsammlungen sind sie jedensfalls nicht zu finden.

Wer das dann allerdings als unzulänglich, unwissend oder gar dumm abstempeln möchte, der liegt völlig falsch. Denn wenn der Rheinländer in mathematischen Formeln spricht, dann geht es sehr häufig um philosophische Inhalte. Ja, um Weltweisheit. Nehmen wir einmal die rheinische Redensart: „Een Ooch deiht vill am blinde Pääd.“ Für die Zugereisten übersetzen wir zunächst: Ein Auge macht viel aus an einem blinden Pferd.

Blind oder einäugig?

Ja, was jetzt? Ist das Pferd nun blind, oder hat es ein Auge. Und hilft ein Auge einem Pferd im Alltag überhaupt? Wissen wir doch, dass die Augen der Huftiere vom Herrgott so angebracht wurden, dass sie nur eine Hälfte des Gesichtsfeldes erfassen: Links oder rechts!

Aber tatsächlich öffnet der Satz ein Universum, denn es weist darauf hin, dass ein kleiner Sachverhalt eine große Wirkung haben kann. Denn manchmal ist es gerade der kleine Unterschied, der einen großen Unterschied macht. Wenn ein gesundes Pferd plötzlich nur noch ein Auge hat, dann mag das als Mangel erscheinen. Hat ein blindes Pferd plötzlich ein funktionierendes Auge, dann ist das ein großer Gewinn.

Kleine Ursache, große Wirkung

Wenn einem bei einer Großanschaffung an der Kasse ein minimaler Betrag fehlt, dann kann das überaus ärgerlich sein. Wenn einem Fußballverein am Ende der Saison ein einzelnes Pünktchen zum Klassenerhalt fehlt, dann ist das ein kleiner Punkt mit großer Wirkung. Die Chaostheoretiker haben inzwischen gezeigt, dass eine kleine Ursache eine große Wirkung haben kann. Als Beispiel wird oft der Flügelschlag eines Schmetterlings im Amazonasbecken genannt, der größere Wetterphänomene auf der Nordhalbkugel auslösen kann.

Dies alles deckt die rheinische Redensart vom einäugigen Pferd inhaltlich ab. Und da haben wir noch nicht einmal davon gesprochen, dass der Rheinländer auch mal gerne „Fünfe gerade sein lässt“ und lauthals singt „dreimohl Null is Null bliev Null“ – alles höhere Mathematik.

Haben Sie eine rheinische Lieblingsredensart? Dann schreiben Sie uns an: rheinisch@ga.de

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