Missbrauchs-Gutachten im Erzbistum Köln Schwaderlapp und Heße bieten Amtsverzicht an

Köln · Ein Jahr lang hat der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki ein Gutachten zum Umgang mit Missbrauchsvorwürfen zurückgehalten. Nun wurde eine neue Untersuchung vorgestellt. Erste Konsequenzen gibt es bereits.

 Kardinal Rainer Maria Woelki (l) und Dominikus Schwaderlapp im September 2020.

Kardinal Rainer Maria Woelki (l) und Dominikus Schwaderlapp im September 2020.

Foto: dpa/Arne Dedert

Nach der Vorstellung eines Missbrauchsgutachtens für das Erzbistum Köln hat Kardinal Rainer Maria Woelki zwei Mitarbeiter vorläufig von ihren Dienstpflichten entbunden. „Daher möchte ich auch aus der Situation der Stunde heraus und auch auf der Grundlage dessen, was ich hier gerade gehört habe, die gerade Genannten, Weihbischof Schwaderlapp und Herrn Offizial Assenmacher, mit sofortiger Wirkung vorläufig von ihren Aufgaben entbinden“, sagte Woelki am Donnerstag in Köln.

Dominikus Schwaderlapp war früher Generalvikar des Erzbistums und ist heute Weihbischof. Günter Assenmacher ist als Offizial unter anderem für kirchengerichtliche Angelegenheiten zuständig.

Als Konsequenz bot Weihbischof Dominikus Schwaderlapp dem Papst seinen Amtsverzicht an. Das teilte der Geistliche am Donnerstag in einer Stellungnahme in Köln mit, kurz nach der Vorstellung des Gutachtens. „Ich bitte Papst Franziskus um sein Urteil“, schrieb er darin. „Ich kann nicht Richter in eigener Sache sein.“ Bereits zuvor habe er seinen Vorgesetzten, den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, über diesen Schritt informiert und ihn gebeten, ihn bis zu einer Entscheidung aus Rom von seinen bischöflichen Aufgaben freizustellen. Eben das hatte Woelki unmittelbar nach der Präsentation des Gutachtens getan.

Schwaderlapp zeigte sich schuldbewusst. Es beschäme ihn, „zu wenig beachtet zu haben, wie verletzte Menschen empfinden, was sie brauchen und wie ihnen die Kirche begegnen muss“. Als Bischof, Priester und Mensch erkenne er seine Fehler an. „Die Menschen, denen ich nicht gerecht wurde, bitte ich an dieser Stelle aufrichtig um Verzeihung, auch wenn ich weiß, dass Geschehenes nicht ungeschehen gemacht werden kann.“

Woelkis Entscheidung war eine Reaktion auf ein neues Gutachten des Strafrechtlers Björn Gercke. Der Jurist hat den Umgang des Erzbistums mit Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs untersucht. Der Fokus lag nicht auf den Tathergängen, sondern auf dem Agieren der Bistumsleitung.

Gercke benannte darin auch andere Kirchenverantwortliche. Dem heutigen Hamburger Erzbischof Stefan Heße warf er elf Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Aufarbeitung von Missbrauchsvorwürfen im Erzbistum Köln vor. Heße war vor seiner Berufung nach Hamburg Personalchef und Generalvikar im Erzbistum Köln. Heße bestreitet bisher die bereits in anderem Zusammenhang gegen ihn erhobenen Vorwürfe.

Heße kündigte am Abend seinen Amtsverzicht an. Der Theologe reagierte damit auf das am Donnerstag vorgestellte Rechtsgutachten zum Umgang von Fällen sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Köln. „Ich habe mich nie an Vertuschung beteiligt“, sagte der 54-Jährige in einer Erklärung. Dennoch sei er bereit, seinen Anteil am Versagen des Systems zu tragen.

Die meisten Pflichtverletzungen stellte Gercke bei seinen Untersuchungen bei dem 2017 verstorbenen Kardinal Joachim Meisner fest. Beim aktuellen Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki sehen Gercke und sein Team dagegen keine Pflichtverletzungen.

Gercke stellte am Donnerstag ein insgesamt 800 Seiten starkes Gutachten vor. Die Auswertung der Akten von 1975 bis 2018 habe unter anderem ergeben, „dass sich Jahrzehnte offenbar niemand getraut hat, solche Fälle zur Anzeige zu bringen“, kritisierte er. Ein erstes Gutachten einer Münchner Kanzlei war vom Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki unter Verschluss gehalten worden, wofür er rechtliche Bedenken anführte. Dieses Verhalten Woelkis hatte eine Vertrauenskrise im größten deutschen Bistum ausgelöst.

Woelki wurde von Gercke nun allerdings ausdrücklich in Schutz genommen. „Medial wäre es für uns am einfachsten gewesen, Herrn Woelki hier zum Schafott zu führen“, sagte der Strafrechtler. Dafür gebe es aber keine Grundlage. Auch in dem zurückgehaltenen Münchner Gutachten sei Woelki nicht belastet worden.

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(dpa)
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