Kampf gegen Bahnlärm Europäische Initiativen fordern Lärmschutz an der Rheinstrecke

Boppard · Die Rheinschiene leidet auch in der Region immer mehr unter Güterverkehr. Deutsche und österreichische Aktionsbündnisse kooperieren und gründen die „Europäischen Bahn-Lärmschutzzonen“. Sie wollen ein Gesetz zum Gesundheitsschutz.

 Güterzüge fahren im Rheintal ganz dicht an der Wohnbebauung vorbei.

Güterzüge fahren im Rheintal ganz dicht an der Wohnbebauung vorbei.

Foto: Frank Homann

Die Gesundheit der Menschen im Rheintal soll endlich wirkungsvoll geschützt werden. Und dazu ist eine Reduzierung des Bahnlärms erforderlich. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, haben sich am Donnerstag Bahnlärminitiativen aus Deutschland und Österreich dauerhaft zusammengeschlossen und eine erste gemeinsame Erklärung abgegeben. Darin proklamieren sie die „Gründung der ersten Europäischen Bahn-Lärmschutzzonen“.

„Wir fordern Politik, Parteien und Bahnbetreiber auf, dass unsere Bürger und unsere Städte, Wohngebiete und Tourismusregionen unverzüglich vor Bahnlärm geschützt werden und dass der Schutz dieser Zonen rechtlich verankert wird“, sagte Frank Gross vom Bürgernetzwerk Pro Rheintal am Donnerstag bei einer Videopressekonferenz.

Rheinstrecke zwischen Rotterdam und Genua

Es geht um die Rheinstrecke von Rotterdam nach Genua. Sie ist die meistbefahrene Bahngütertrasse Europas und ist besonders nachts stark frequentiert. In der Region ist vor allem der Abschnitt zwischen Bonn und Wiesbaden betroffen.

„Es ist nachgewiesen, dass Lärm gesundheitliche Probleme verursacht, deshalb muss jetzt endlich gehandelt werden“, so Gross.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat im Jahre 2018 eine Bahnlärm-Richtlinie verabschiedet, die alle Mitgliedsstaaten nun in nationales Recht umsetzen sollen. Und dementsprechend ist die Kernforderung des neuen europäischen Anti-Bahnlärm-Bündnisses: Die Einhaltung der Lärmgrenzwerte von 44 Dezibel in der Nacht und 54 Dezibel am Tage. Davon sei man noch weit entfernt. Außerdem sollen alle Güterzüge in Wohngebieten maximal 50 Stundenkilometer fahren dürfen. Das wäre eine Sofortmaßnahme. Und laute Güterzüge sollen in der Schutzzone gar nicht mehr fahren dürfen. Um das überprüfbar zu machen, fordern die Lärmschutzbefürworter die Einrichtung von Messstationen, die tägliche Messwertberichte im Internet verfügbar machen.

Jahrzentelanger Kampf umsonst

„Wir haben seit Jahrzehnten gegen den unerträglichen Lärm gekämpft, indem wir uns argumentativ auf die technische Seite der Lärmwerte konzentriert haben“, sagt Gross. Das habe nicht zum Erfolg geführt. Auch die Einführung der Flüsterbremsen an allen Zügen habe nicht die versprochene Wirkung einer Halbierung des Lärms gebracht.

Deshalb wolle man nun verstärkt mit dem Argument des Gesundheitsschutzes voran gehen. Derzeit haben sich die Initiativen Klagenfurt, Pörtschach, Krmpendorf (alle Österreich) und Mittelrheintal (Deutschland) zusammengeschlossen, um gegenüber der Politik und dem Gesetzgeber eine höhere Durchschlagskraft zu entfalten. Das Aktionsbündnis rechnet aber damit, dass sich ihm noch viele weitere Initiativen anschließen werden. Die Bahnstrecke führt durch die Niederlande, Deutschland, Österreich, Schweiz und Italien.

Regionalvertreter verließ Lärmbeirat

Regionalvertreter Frank Gross hatte kürzlich den Beirat „Leiseres Mittelrheintal“, in dem Initiativvertreter und Bahner sitzen, verlassen, weil er die Hoffnung aufgegeben hat, auf diesem Wege Linderung für die lärmgeplagten Anwohner erreichen zu können. Dort spreche man inzwischen von 2030 und 2050 wenn es um Zielmarken zum wirksamen Lärmschutz gehe. Zusätzlich werde an verschiedenen Abschnitten die Zahl der Gleise erhöht.

An die Bahn gewandt, meinte Gross: „Die Bahn setzt auf die falsche Technologie, damit wird sie nicht überleben.“

„Bahn setzt auf falsche Technologie“

Als nächste Aktionen wollen die Bahnlärm-Gegner das „Bürgerbuch Bahnlärm“ herausgeben. Darin sind die Ergebnisse einer Betroffenheitsbefragung ausgewertet. Insgesamt 2000 Bahnanwohner im Rheintal hatte in den vergangenen zwei Jahren die Fragebogen ausgefüllt. Laut Gross haben 90 Prozent angegeben, sie fühlten sich durch den Bahnlärm gesundheitlich geschädigt. Insbesondere das Rattern und Dröhnen raube ihnen den nächtlichen Schlaf. Das ist in sofern erwähnenswert, als die gängingen Messmethoden diese niedrigfrequenten Geräusch gar nicht aufnehmen.

Die europäische Initiative plant für die nahe Zukunft einen internationalen Kongress, um die Kooperation der Bahnlärmgegner zu intensivieren. Und sie wollen sich auch in die bevorstehenden Wahlkämpfe einschalten mit ihre Forderungen.

Unter anderem soll nun der Anspruch der Menschen auf Nachtruhe in der Zeit von 22 bis 6 Uhr für die Wohngebiete und die Tourismusregionen rechtlich verankert werden. „Die Lärmmessungen, die Umrüstung und anderen Maßnahmen zeigen, dass es auch leise geht“, so Gross. Es fehle offenbar nur der Wille, das auch nachhaltig zu garantieren.

Dabei gelten in Wohngebieten bereits strenge Lärmgrenzwerte, wenn es um Lkw-Verkehr und Arbeitsstätten gehe. Die müssten nur verbindlich auf die Bahnstrecken übertragen werden. Und es dürfe lärmtechnisch kein Unterschied mehr gemacht werden zwischen Bestandsstrecke und Neubaustrecke. „Man müsse sich nur einmal vorstellen, wie schön das Rheintal wäre ohne den dauernden Bahnlärm. Das eröffnete auch touristisch und strukturell ganz neue Horizonte, so Gross.

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