Corona-Infizierte in Mennoniten-Gemeinde Euskirchen entgeht vorerst einem Lockdown

Euskirchen · Die Kreisverwaltung hat in Euskirchen das erste Ergebnis eines Corona-Massentests bekanntgegeben. Der Kreis hofft, einem Lockdown zu entgehen. Im Umfeld einer freikirchlichen Gemeinde hatte es zuvor mehrere Infektionen gegeben.

 Euskirchen: Ein Einsatzleitwagen des Deutschen Roten Kreuzes steht vor einer Schule, in der Corona-Tests durchgeführt werden.

Euskirchen: Ein Einsatzleitwagen des Deutschen Roten Kreuzes steht vor einer Schule, in der Corona-Tests durchgeführt werden.

Foto: dpa/Marius Becker

Den Menschen in der Stadt Euskirchen droht nach dem Corona-Ausbruch in der Mennoniten-Brüdergemeinschaft voraussichtlich keine Verschärfung der Schutzmaßnahmen. Das teilte Landrat und Krisenstabsleiter Günter Rosenke am Donnerstag mit. Von den 648 getesteten Gemeindemitgliedern waren nach stand Donnerstagnachmittag 14 positiv (rund 2,2 Prozent). 300 weitere Tests sollten am Nachmittag durchgeführt werden.

Am Dienstag war eine Familie der Gemeinde – beide Eltern sowie elf von 13 Kindern – positiv auf Corona getestet worden, nachdem die Mutter mit Symptomen ins Krankenhaus gekommen war. Die 13 Fälle sind laut Rosenke nicht in den Zahlen vom Donnerstag enthalten. „Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen, als ich die Testergebnisse erfahren habe“, sagte der Landrat. „Man kann das Ergebnis durchaus als positiv betrachten.“ Es handle sich jedoch erst um ein Zwischenergebnis. Der Krisenstab der Kreisverwaltung werde sich diesen Freitag um 9 Uhr treffen, die Ergebnisse der letzten 300 Tests erwarte er am Vormittag.

Bei den 14 neuen Fällen handelt es sich Rosenke zufolge um Mitglieder aus vier Familien zwischen elf und 61 Jahren. Die meisten positiv Getesteten hätten keine Symptome gezeigt, seien normal ihren Berufen nachgegangen, hätten an den Gottesdiensten teilgenommen und die Schule besucht. Deshalb hatte der Kreis die Gemeinschaft unter Quarantäne gestellt, deren Schule geschlossen, Gottesdienste untersagt und angeordnet, alle Mitglieder zu testen. Wie viele das sind, könne man nach wie vor nicht mit Sicherheit sagen.

Die Gemeinschaft habe dem Gesundheitsamt eine Liste mit etwa 500 Mitgliedern vorgelegt, sagte Christian Ramolla, Leiter des Kreisgesundheitsamts. Aber man habe ihm erklärt, dass man erst als Mitglied der Mennoniten zählt, wenn man das Glaubensbekenntnis ausgesprochen hat. Bei Kindern sei das oft noch nicht der Fall. Es hätten ungefähr 1000 Menschen an Veranstaltungen der Gemeinschaft teilgenommen. So viele würden auch getestet. Die Quarantäne gilt nach Behördenangaben – auch bei negativem Testergebnis – bis zum 18. Juli.

Obwohl die Mutter der ersten Familie schon vergangene Woche positiv getestet wurde, begannen die Massentests erst am Mittwoch. Das lag laut Ramolla daran, dass zunächst keine Listen mit Kontaktpersonen vorlagen. Denn obwohl Kirchen laut Corona-Schutzverordnung des Landes schriftlich festhalten müssen, wer einen Gottesdienst besucht, habe die Gemeinschaft keine solchen Listen geführt. Die Unterlassung wird dem Landrat zufolge aber nicht weiterverfolgt. Die Gemeinschaft habe versichert, sich an die Hygiene- und Abstandsregeln gehalten zu haben.

Ferner sei das Amt auf die Kooperation der Gemeinschaft angewiesen; Tests gegen den Willen der Betroffenen seien wenig zielführend. „Es gab die Besonderheit, dass uns dann Familienoberhäupter genannt wurden, die oft schwer telefonisch zu erreichen waren“, berichtete Ramolla. Andernorts habe sich aber gezeigt, dass die Tests am siebten Tag am effektivsten sind. „So gesehen ist jetzt der ideale Zeitpunkt.“

Die Corona-Fälle beschränkten sich laut Rosenke bisher auf die Stadt Euskirchen. Zwar seien auch Mitarbeiter und Patienten eines ambulanten Pflegedienstes der Mennoniten in Zülpich getestet worden, der auch Gemeinschaftsmitglieder aus Euskirchen betreut. Die Ergebnisse aller 21 getesteten Mitarbeiter und Patienten seien aber negativ gewesen. Die benachbarten Kreise seien Rosenke zufolge im Lagebericht der Bezirksregierung Köln am Wochenende umgehend informiert worden.

Wo die Patientin Null sich angesteckt haben könnte, sei schwer nachzuvollziehen, sagte Ramolla. Eventuell sei schon vorher jemand in der Gemeinschaft infiziert gewesen, der aber kein Mitglied sei. Von den 14 neuen Fällen fielen neun in eine Familie. Diese sei vor kurzem von einer Reise aus dem Baltikum zurückgekehrt. Möglicherweise habe die Familie sich auch dort infiziert. Von den neun arbeite niemand in einem Bereich mit hohem Risiko, andere anzustecken. Bei den verbleibenden Familien werde das noch ermittelt.

Der knapp 200.000 Einwohner zählende Kreis Euskirchen würde schon bei knapp 100 Infizierten in kurzer Zeit eine entscheidende Marke erreichen. Ab dem Grenzwert von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen müssen Einschränkungen im öffentlichen Leben für einen Kreis in Betracht gezogen werden. Das könnte strengere Kontaktbeschränkungen und das Schließen von Freizeiteinrichtungen wie Kinos und Fitnesscenter nach sich ziehen. Bisher zählt der Kreis Euskirchen insgesamt 510 Infektionen (Stand: 9. Juli), 31 davon sind akut, 455 genesen, 23 Menschen starben.

(dpa/ga)
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