Bombe wird entschärft Gefängnis in Koblenz muss evakuiert werden

Koblenz · Schon wieder liegt das Koblenzer Gefängnis in der Sperrzone für eine spektakuläre Bombenentschärfung. Rund 160 Häftlinge müssen in Bussen mit Zellen und Panzerglas zu anderen Haftanstalten fahren. Manche verabschieden sich scherzhaft in den Kurzurlaub.

 Wegen der für Samstag geplanten Entschärfung einer Weltkriegsbombe, die bei Bauarbeiten in der Nähe der JVA gefunden wurde, müssen rund 160 Gefangene in andere Haftanstalten verlegt werden.

Wegen der für Samstag geplanten Entschärfung einer Weltkriegsbombe, die bei Bauarbeiten in der Nähe der JVA gefunden wurde, müssen rund 160 Gefangene in andere Haftanstalten verlegt werden.

Foto: dpa

Ein Warnlicht blinkt, langsam öffnet sich am Donnerstag das große Schiebetor der JVA Koblenz. Ein Gefangenenbus, unten grün, oben weiß, fährt in den Innenhof. Zahlreiche Häftlinge steigen ein. Durch schmale horizontale Panzerglasfenster gucken sie hinaus. Im Bus sitzen sie in abgesperrten kleinen Zellen auf grauen Plastiksitzschalen. Es ist einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik: Schon zum zweiten Mal wird das Koblenzer Gefängnis wegen einer Bombenentschärfung geräumt. Die Premiere war 2011. Diesmal werden rund 160 Untersuchungshäftlinge mit Gefangenenbussen zu anderen Justizvollzugsanstalten (JVA) gebracht.

Die Haftanstalt in Koblenz liegt im Sperrgebiet, das an diesem Samstag (2.9.) 21 000 Anwohner verlassen müssen. Anschließend plant der Kampfmittelräumdienst Rheinland-Pfalz die Entschärfung eines 500-Kilogramm-Blindgängers aus dem Zweiten Weltkrieg. Nur ein Tag später, am Sonntag, müssen in Frankfurt wegen der Entschärfung einer 1800-Kilogramm-Weltkriegsbombe sogar bis zu 70.000 Bürger aus ihren Wohnungen. Aber dort liegt kein Gefängnis in der Evakuierungszone.

Für den Abtransport mit dem Gefangenenbus gilt eine klare Regel: „Während der Fahrt werden hier drinnen grundsätzlich keine Türen geöffnet“, sagt ein Justizbediensteter, der seinen Namen nicht nennen will. Für Notfälle gibt es Notrufknöpfe.

Die Verteilung auf die Zellen folgt einem genauen Plan. Untersuchungshäftlinge und Strafgefangene dürften nicht zusammensein, und auch nicht Jugendliche und Erwachsene oder „Männlein und Weiblein“, erklärt der Bedienstete. Wichtig sei zudem die Trennung: Mutmaßliche Komplizen einer Straftat sollten sich nicht zum Beispiel für Aussagen vor Gericht absprechen können.

Zehn normale Gefängnisse gibt es in Rheinland-Pfalz. Auf welche von ihnen wie viele Häftlinge wann verteilt werden, will der Sprecher des Justizministeriums in Mainz, Christoph Burmeister, nicht verraten - um nicht etwa den Versuch einer Gefangenenbefreiung zu provozieren. „Wir werden keine JVA in anderen Bundesländern in Anspruch nehmen müssen“, fügt er hinzu. „Wir kriegen das selbst hin.“

Einfach ist das nicht. Die Koblenzer JVA-Leiterin Andrea Kästner sagt: „Die Haftanstalten in Rheinland-Pfalz sind in der Summe überbelegt.“ Die Verteilung von rund 160 Gefangenen, darunter 13 Frauen, führe daher zu Mehrfachbelegungen in Hafträumen. Laut Burmeister haben Häftlinge zwar einen Anspruch auf Einzelzellen. Vorübergehende Ausnahmen aus wichtigen Gründen seien aber gesetzlich möglich.

Kästner ergänzt: „Diesmal haben wir nur drei Tage Vorbereitungszeit. Wir haben erst am Montagabend von der Bombe erfahren.“ Der US-Blindgänger war in der Nähe bei Bauarbeiten für einen neuen Kindergarten gefunden worden. „2011 hatten wir für die Evakuierung fast zwei Wochen Zeit“, sagt die JVA-Chefin. Seinerzeit machte der Kampfmittelräumdienst eine 1,8 Tonnen schwere britische Fliegerbombe und eine kleinere US-Bombe unschädlich. 45.000 Bürger hatten dafür ihre Wohnungen räumen müssen.

„Immerhin können wir jetzt gut auf unsere Erfahrungen von damals zurückgreifen“, erklärt Kästner. Doch die Logistik bleibt umfangreich und kleinteilig. Am vergangenen Mittwoch sind die ersten Gefangenen aufgebrochen, am kommenden Dienstag werden die letzten zurück erwartet - eine einwöchige Aktion. In den anderen Gefängnissen müssen Hafträume gefunden werden, ebenfalls mutmaßliche Mittäter getrennt bleiben und nötige Medikamente für kranke Häftlinge bereitgestellt werden. Gerichts- und Besuchstermine werden verschoben.

Und wie sehen das die Gefangenen? Der Koblenzer JVA-Sicherheitsbeamte Dirk Räder sagt: „Die werden aus ihrem normalen Haftleben rausgerissen, reagieren aber ruhig und verstehen das mit der Bombe. Da ist jeder auch nur ein Mensch.“ Kästner berichtet: „Tatsächlich verabschieden sich auch welche aus Spaß für drei Tage in den Urlaub.“

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