Polizei schließt Anschlag nicht aus Geiselnehmer zündete Molotowcocktail in Köln

Köln · Die Polizei hat am Montag einen Mann überwältigt, der in einer Apotheke am Kölner Hauptbahnhof eine Frau gefangen hielt. Der mutmaßlicher Täter wurde bei dem Einsatz schwer verletzt.

Polizisten sichern den Kölner Hauptbahnhof weiträumig ab, Passagiere und Passanten drängeln sich hinter rot-weißen Absperrbändern, als es gegen 15 Uhr zweimal laut knallt – zwei Schockblendgranaten, wie der Kölner Polizeisprecher Christoph Gilles später erläutert. Gut zwei Stunden, nachdem ein bewaffneter Mann in der Apotheke am Breslauer Platz eine Frau als Geisel genommen hat, überwältigen Spezialeinsatzkräfte der Polizei den Geiselnehmer und befreien die Frau, die leicht verletzt wurde. Der mutmaßliche Täter schwebte nach Schussverletzungen in Lebensgefahr, er musste reanimiert werden und wurde am Abend laut Polizei notoperiert.

„Wir stehen erst am Anfang der Ermittlungen“, sagte Klaus-Stephan Becker, Leiter der Direktion Kriminalität. Gesicherte Informationen zum Täter gebe es noch nicht. Allerdings fand die Polizei im hinteren Teil der Apotheke einen Ausweis. Mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ handele es sich um die Papiere des Geiselnehmers. Demzufolge würde es sich bei dem Mann um einen 55-jährigen syrischen Staatsangehörigen handeln, der seit 2016 in Köln lebte und einen Aufenthaltstitel bis 2021 besaß.

In der Vergangenheit sei der Mann wegen mehrerer Delikte in Erscheinung getreten, darunter Diebstahl, Bedrohung und Hausfriedensbruch, so Becker. Es gebe keine Hinweise, dass er sich bislang an islamistischem Terror beteiligt habe, allerdings sei er in dem Zusammenhang einmal als Hinweisgeber über eine andere Person in Erscheinung getreten. „Wir ermitteln in alle Richtungen und schließen auch einen Terroranschlag nicht aus“, sagte die stellvertretende Kölner Polizeipräsidentin Miriam Brauns am Abend zum Hintergrund der Tat.

Fuß des Mädchens stand in Flammen

Der Zugriff erfolgte nach zweieinhalb dramatischen Stunden im Bahnhof. Um 12.42 war bei der Polizei ein Notruf eingegangen, in dem es hieß, dass ein Mann in einem Schnellrestaurant einen Molotowcocktail gezündet habe, wie Einsatzleiter Klaus Rüschenschmidt am Abend berichtete. Dabei habe ein 14-jähriges Mädchen Brandverletzungen erlitten. Die Stewardess Larissa Da Silva Lima telefonierte gerade auf dem Vorplatz, als sie laute, hysterische Schreie hörte. Als sie sich umgedrehte, sah sie zwei junge Mädchen aus dem Restaurant laufen: „Sie rannten um ihre Leben“, sagte die junge Frau.

Der Fuß des einen Mädchens habe in Flammen gestanden, diese seien sogar bis zur Hüfte geschlagen. Ein Passant habe sich auf das Mädchen geworfen, um ihr zu helfen – es sei ihm auch gelungen, die Flammen zu löschen. Dann sei noch eine Apothekenmitarbeiterin herbeigeeilt, um Erste Hilfe zu leisten. „Es war schrecklich anzusehen“, sagte Da Silva Lima. Das Restaurant sei komplett dunkel gewesen, Flammen seien herausgeschlagen. Eine weitere Person erlitt in dem Restaurant eine Rauchgasvergiftung, teilte die Feuerwehr später mit.

Als die Sprinkleranlage ansprang, rannte der Mann in die nahegelegene Apotheke, nahm dort eine Mitarbeiterin als Geisel und verschanzte sich im hinteren Bereich, erläuterte Rüschenschmidt. Passanten zufolge solle der Mann gerufen haben, dass er zur Terrorgruppe Daesh gehöre – der arabische Name für die Terrormiliz „Islamischer Staat“. Der Mann habe mehrere Gaskartuschen, wie man sie für einen Campingkocher benötige, bei sich gehabt, berichtete der Einsatzleiter. Der Täter habe die Geisel massiv bedroht: Er habe zwei Gaskartuschen mit einem Klebeband verbunden und sie an der Frau befestigt.

Zugverkehr komplett eingestellt

Als die Polizei bemerkte, dass der Mann seine Geisel und sich selbst mit Benzin übergoss, griff sie zu. Der Mann sei zudem auch bewaffnet gewesen. Die Polizei überprüft derzeit, ob die Schusswaffe echt sei. Laut Polizei hieß es auch noch, dass der Täter freien Abzug und die Freilassung einer Tunesierin gefordert haben soll. Alle diese Informationen sind aber noch sehr vage. Fest steht: Köln hat heute Glück gehabt“, so Rüschenschmidt.

Von dieser ganzen Dramatik bekommen die Reisenden hinter den Absperrbändern nichts mit. Alle Passagiere mussten den Bahnhof schnell verlassen, der Zugverkehr wurde komplett eingestellt. Normalerweise fahren laut Bahn 1200 Züge täglich den Hauptbahnhof an, diese mussten nun umgeleitet werden. Eine Sprecherin sprach von einer Größenordnung „im dreistelligen Bereich“. Der Bahnhof blieb bis zum Abend gesperrt, was Auswirkungen auf den Bahnverkehr in NRW und den Fernverkehr hatte.

Viele gestrandete Passagiere warteten noch lange rund um Bahnhof und Dom auf Informationen. „Wir saßen schon im Zug nach Frankfurt, als wir wieder aussteigen mussten“, sagte Eva Grube. Polizisten hätten die Reisenden in Richtung eines Ausgangs gedrängt. „Ein Polizist hat sogar unseren schweren Koffer getragen“, erzählte sie. Panik habe nicht geherrscht. Chaos herrscht aber auf den Straßen rund um den Hauptbahnhof. Auch Stunden später war der Bahnhof abgeriegelt.

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