Interview mit der Autorin Stella d'Alberti „Gleichberechtigung hat mit Respekt zu tun“

Sie lebt mit Ehemann und ihren Kindern im ländlichen Linksrheinischen und arbeitet in einer Behörde. Darum suchte sich die Frau, die sich Stella d'Alberti nennt, ein wohlklingendes Pseudonym aus, um das Buch „Keine Schlampe“ zu schreiben. Darin geht es um das als verrucht geltende Geschäft von Escortdamen. Über das Buch und das Thema Gleichberechtigung sprach Corinna Frenzel mit der Autorin.

 Stella d'Alberti ist der Aliasname der Autorin von „Keine Schlampe“. Zum GA-Gespräch hat sie ihren Hut tief ins Gesicht gezogen.

Stella d'Alberti ist der Aliasname der Autorin von „Keine Schlampe“. Zum GA-Gespräch hat sie ihren Hut tief ins Gesicht gezogen.

Foto: Axel Vogel

Sie schreiben unter dem Pseudonym Stella d'Alberti. Warum?

Stella d'Alberti: Der Inhalt meines Romans könnte unter strenger Betrachtung durchaus als ein wenig anrüchig, zumindest aber als nicht wirklich gesellschaftskonform bezeichnet werden. Da ich privat wie beruflich in einem sehr bürgerlichen Umfeld lebe, möchte ich, auch wenn ich grundsätzlich absolut für Toleranz und Offenheit plädiere, eine mögliche Kollision zwischen meiner Lebenswelt und der im Roman skizzierten vermeiden.

d'Alberti: Sie ist eine ziemlich normale Frau in den Vierzigern, verheiratet, zwei Kinder, liebe Freunde und Bekannte, ein Bürojob, ein Häuschen im Grünen, in dem viel gelacht wird. Sie ist eigentlich genau das, was unter keinen Umständen in einem Arbeitszeugnis stehen sollte: sehr gesellig. Nach Möglichkeit genießt sie die schönen Dinge des Lebens und hat unter anderem eine ausgeprägte Vorliebe für Italien. So ist sie auch zu ihrem Namen gekommen.

Die Titelwahl eines Buches ist für manchen Autor das Schwierigste überhaupt. Können Sie erläutern, warum Sie Ihr Buch „Keine Schlampe“ genannt haben?

d'Alberti: Der Roman handelt von einer Frau, die aus ihrer unglücklichen Ehe ausbricht, indem sie einen Escortservice anbietet. Im Behördendeutsch würde man sagen, sie geht der Prostitution nach; sie macht dies allerdings nicht aus wirtschaftlicher Not heraus. Sie entwickelt eine gewisse Promiskuität und genießt ihre Metamorphose vom Hausmütterchen zur 'Femme fatale'. Damit ist sie für viele Menschen mit traditionellem Werteverständnis eine Schlampe. Mir war es aber wichtig herauszustellen, dass meine Protagonistin gerade durch diesen sehr speziellen Weg ihre Selbstachtung wiederfindet.

d'Alberti: Ich habe bislang keine Lesungen gemacht. Das gestaltet sich auch schwierig, wenn man ein Pseudonym verwendet. Mir fehlen Lesungen bislang nicht, ich würde aber nicht ausschließen, einmal eine Lesung zu machen.

d'Alberti: Historisch betrachtet hat die Frauenemanzipation ohne Zweifel riesige Fortschritte gemacht. Dennoch ist es heute häufig immer noch so, dass Frauen mit gleicher Qualifikation im Arbeitsleben benachteiligt sind. Da muss auf jeden Fall noch viel passieren. Es geht darum, das Bewusstsein für Gleichstellung zu schärfen. Das hat etwas mit gegenseitigem Respekt zu tun. Aber kann ich jemanden respektieren, der Gleichberechtigung an einer Wortendung festmacht? Ich finde auch Quotenregelungen problematisch. Rein gefühlsmäßig sollten die Frauen, die Dinge durchsetzen möchten, oft etwas weniger verbissen „rüberkommen“. Das würde helfen.

d'Alberti: Das Escortmetier lebt von Diskretion. Eine Escortdame zu begleiten, ist kaum denkbar. Es gibt aber im Internet diverse Portale. Ich habe dort als Gast mitgelesen. Man erhält auf diese Weise vielfältige Einblicke, weil Anbieterinnen und Kunden miteinander diskutieren. Es gab kaum ein Thema, das dort nicht angesprochen wurde, vom Dresscode bis hin zu Hoteltipps. Teilweise ging es durchaus 'ans Eingemachte'.

d'Alberti: Ich könnte jetzt sagen, weil es die Debatte um Emanzipation von einer völlig anderen Seite beleuchtet. Aber dieser Gedanke hat sich erst im Laufe des Schreibens entwickelt. Tatsächlich war es ein Zufall, ein erster Artikel in einem Magazin, der mich neugierig gemacht hat.

d'Alberti: Ich habe gelesen, als Frau werde man nicht ernst genommen, wenn man zu viel lacht oder lächelt, und dass eine Frau mit einem „Pokerface“ eher ihr Ziel erreicht. Da kommt mir Peter Modlers „Arroganzprinzip“ in den Sinn. Laut Modler ist Arroganz ein Werkzeug, das eine Frau in ihrem beruflichen Werkzeugkoffer haben sollte. Nicht zu unterschätzen ist allerdings auch der weibliche Charme. Die viel zitierten 'Waffen der Frau' beschränken sich schließlich nicht nur auf ein großzügiges Dekolleté oder ein kurzes Röckchen. Es geht dabei um Esprit und Humor. Da bedarf es unter Umständen gar keiner Machtspielchen.

d'Alberti: Nein, mein Leben hat sich nicht verändert. Im Freundes- und Familienkreis ist es bekannt, dass ich Stella bin. Ich habe dort sehr viel positives Feedback bekommen. Aber danach ging alles wieder seinen gewohnten Lauf.

d'Alberti: Zurzeit nicht, aber völlig ausschließen will ich es auch nicht. Das Schreiben ist schon eine Leidenschaft, aber es muss nicht zwingend wieder ein Roman sein. Mal sehen.

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