Die Polizei bleibt im Dorf In NRW werden kaum Polizeiwachen gestrichen

Duisburg · In Nordrhein-Westfalen wurden seit 2010 nur drei Polizeiwachen ersatzlos gestrichen, wie eine Umfrage ergeben hat. Und auch in Zukunft sollen die Beamten vor Ort präsent bleiben.

 Die Polizei bleibt vor Ort präsent: In den meisten Behörden in NRW hat sich nichts verändert in den vergangenen zehn Jahren.

Die Polizei bleibt vor Ort präsent: In den meisten Behörden in NRW hat sich nichts verändert in den vergangenen zehn Jahren.

Foto: picture alliance/dpa/Andreas Arnold

Wer persönlich eine Anzeige in Duisburg-Homberg erstatten will, sollte möglichst keine Gehbehinderung haben. Die Polizeiwache, die in einem ehemaligen Ladenlokal untergebracht ist, liegt in Hochparterre und ist nur über Stufen zu erreichen. Die Wache ist aber nicht nur schwer zugänglich, sondern auch marode, und sie erfüllt die Sicherheitsstandards nicht mehr. „Wir haben keine Sicherheitsschleuse am Eingang, und auch am Tresen fehlt ein Sicherheitsglas“, sagt ein Sprecher.

Deswegen soll die Wache umziehen in ein neues Gebäude – das steht allerdings auf der anderen Rheinseite im Stadtteil Ruhrort. „Wir geben den Standort Homberg aber nicht auf. Die Bezirksdienstbeamten werden dort weiterhin bleiben“, sagt der Sprecher.

Nur drei Wachen wurden in NRW ersatzlos gestrichen

Entgegen der landläufigen Meinung, die Polizei würde sich zurückziehen und Standorte schließen, hat es in den vergangenen zehn Jahren in NRW kaum Wachenschließungen (ausgenommen sind Bezirksdienststellen) gegeben, wie eine Umfrage unserer Redaktion unter allen 47 Kreispolizeibehörden des Landes ergeben hat.

Demnach fielen in NRW seit 2010 nur drei Wachen ersatzlos weg. So gibt es in Dortmund statt 14 noch 13 Wachen. Im Rheinisch-Bergischen Kreis verringerte sich die Zahl von drei auf zwei Wachen; die kleine Wache in Burscheid mit einem Streifenwagen wurde geschlossen. Zudem entstand dort 2016 eine neue zentrale Wache. Die Gründe für Schließung und Zusammenlegungen waren in erster Linie marode Gebäude. „So waren in Wermelskirchen die Zellen noch im Keller eingebaut; was heute undenkbar ist“, erklärt ein Polizeisprecher. Auch die Sanitär- und Umkleideräume seien in unzumutbaren Zuständen gewesen, insbesondere für Frauen. „1980 beim Bau der Wache hat noch keiner an Frauen bei der Polizei gedacht“, sagt der Sprecher. In Unna gibt es auch eine Wache weniger – vier statt fünf; Grund laut Polizei: Effektivität, Kräfte wurden gebündelt. Hinzu kommt eine anstehende Schließung bei der Wasserschutzpolizei. So wird die Rheinwache in Wesel im Februar aufgegeben.

In den meisten Behörden hat sich nichts verändert in den vergangenen zehn Jahren. Beispiel Kreispolizeibehörde Höxter. Dort gibt es nach wie vor drei Wachen: „Unser Ziel ist die Präsenz in der Fläche, daher sind wir weiterhin bestrebt, die Wachstandorte zu erhalten“, sagt ein Sprecher.

In anderen Fällen wurden zwar keine Wachen geschlossen, dafür änderten sich aber die Standorte. Die Gründe dafür waren in den meisten Fällen auslaufende Mietverträge und Sanierungsbedarf in den alten Räumlichkeiten.

Die Polizei bleibt vor Ort

Michael Mertens, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in NRW, begrüßt die Entscheidung der Behörden, in den vergangenen zehn Jahren möglichst auf Schließungen  in der Fläche verzichtet zu haben. „An manchen Standorten war die Erhaltung von Wachen sicherlich nur mit reduzierten Kräften möglich“, so Mertens. „Man will damit auch ein Signal setzen, dass die Polizei vor Ort bleibt. Und das ist auch sehr wichtig.“

Die Umfrage hat aber auch ergeben, dass Standorte, in denen nur einzelne Bezirksdienstbeamte untergebracht gewesen sind, in manchen Städten aufgegeben worden sind. Dafür spielen auch Sicherheitsgründe eine Rolle. „In den kleinen Bezirkswachen sitzt ein Kollege. Und gerade in jüngster Vergangenheit hat es immer wieder psychisch kranke Täter gegeben, die es auf solche Einrichtungen abgesehen hatten. Diese Gefahr wollen wir keinem Kollegen mehr zumuten“, erklärt ein Sprecher der Polizei. Zudem seien die festen Standorte für Bezirksdienstbeamte nicht mehr zeitgemäß. „Wir setzen stattdessen auf mobile Wachen, die direkt zu den Bürgern kommen – etwa auf den Wochenmarkt“, betont der Sprecher.

Ein weiterer Unterschied zu der Situation in vielen Wachen im Vergleich zu 2010 ist die Personaldecke. So sind eine Reihe von Wachen nicht mehr 24 Stunden am Tag besetzt. In Xanten ist das zum Beispiel der Fall. Dort ist nun um 16 Uhr Schluss. Viele Bürger reagierten entsetzt, fürchteten um ihre Sicherheit.

„Wir mussten uns ganz schön was anhören deswegen, aber aus polizeilicher Sicht ist das sinnvoll“, erklärt eine Sprecherin. „Der Kollege dort hatte abends kaum Publikumsverkehr, so dass wir ihn an anderer Position viel effektiver einsetzen können“, sagt sie. Zum Beispiel im Streifendienst.

Überall dort, wo der seltene Fall einer ersatzlosen Wachenschließung oder -verlegung zur Diskussion steht, herrscht in der Bevölkerung häufig Unruhe. Erich Rettinghaus, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, versucht zu beruhigen: „Nicht Wachen sorgen für Sicherheit, sondern die Polizisten auf den Straßen.“

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