Dat is Rheinisch Indianer kriesche nit!

Rheinland · Der GA erklärt kurz und knapp alles, was man über den rheinischen Dialekt wissen muss. Immer mit dabei eine rheinische Redensart. Diesmal: Indianer kriesche nit!

Indianer weinen nicht!

Indianer weinen nicht!

Foto: GA-Grafik

Manche rheinische Redensart behält über Jahrzehnte hinweg ihre Gültigkeit und universelle Aussagekraft. Gerade wenn sie eine quasi-philosophische Bedeutungsebene hat. Etliche werden schon seit Jahrhunderten von Generation zu Generation weitergegeben und sind so aktuell wie am ersten Tag.

Aber es gibt auch einige, über die die Zeit hinweggeht. Die der Zeitgeist gewissermaßen einkassiert. Ein solches Beispiel ist die Behauptung: „Indianer kriesche nit!“ Er dürfte in dreifacher Hinsicht inzwischen nicht mehr als politisch korrekt gelten. Die hochdeutsche Übersetzung steht und fällt mit dem Verb „kriesche“. Das bedeutet im landläufigen Sinne „weinen“, obwohl es wohl einen Wortstamm mit „kreischen“ teilt.

Gut gemeinter Ratschlag der Eltern

Die Redensart meint also: Indianer weinen nicht! Oder im übertragenen Sinne: Ein Indianer kennt keinen Schmerz! Das war früher der gut gemeinte Rat der Eltern an ihre Söhne – wohlgemerkt nur die männlichen Nachkommen –, im Falle der wie auch immer gearteten Traurigkeit gezielt auf Tränen zu verzichten und stattdessen Tapferkeit an den Tag zu legen. Die Töchter mussten das wiederum nicht, sie durften ihren Gefühlen freien Lauf lassen.

Die Kölner Kultband Bläck Fööss hat dieses Erziehungsideal mit einem Lied kritisch hinterfragt. Darin heißt es: „ Ich möch sujän ens kriesche, doch kriesche darf m'r nit, schon als kleine Jung weed dir jesaat: Indianer kriesche nit, Mädche dürfe kriesche, Indianer dürfe dat nit.“

Weinen ist keine Schwäche

Inzwischen hat sich das Gott sei Dank geändert, und auch Jungs dürfen ihre Traurigkeit zeigen. Es wird nicht mehr als Schwäche ausgelegt, wenn man mitfühlend ist. An dieser Stelle hat die Alltagspsychologie in den vergangenen Jahren sehr aufklärend gewirkt. Und auch die Mädchen ihrerseits sind nicht mehr auf die „Heulsusen-Rolle“ eingeengt. Das darf man schon als befreiend empfinden.

Insofern offenbart sich derjenige, der immer noch den nicht heulenden Indianer einfordert, als ziemlich gestrig. Einmal ganz davon abgesehen, dass die Geschichte vom Indianer noch in eine ganz andere Richtung falsch verstanden werden könnte. Wir erinnern uns an die Diskussion über die „kulturelle Aneignung“, wenn man sich zu Karneval für ein Indianerkostüm entscheidet.

Indianer und Karneval

Wir wollen die Diskussion an dieser Stelle gar nicht führen oder bewerten, nur nochmal den Befund unterstreichen, dass dieser Satz inzwischen seine Gültigkeit verloren hat und heute nicht mehr anwendbar ist.

Weitere Kolumnen sind in dem Buch “Rheinisch für Fortgeschrittene” erschienen, Edition Lempertz. Haben Sie auch eine rheinische Lieblingsredensart? Dann schreiben Sie uns an: rheinisch@ga.de

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