Das ist Rheinisch Je mih mer em Dress rührt, dässte mih stink hä

Rheinland · Der GA erklärt kurz und knapp alles, was man über den rheinischen Dialekt wissen muss. Immer mit dabei eine rheinische Redensart. Diesmal: Je mih mer em Dress rührt.

 Ein Misthaufen kann intensiv stinken.

Ein Misthaufen kann intensiv stinken.

Foto: dpa

Gelegentlich wartet der Rheinländer mit Lebensweisheiten auf, die als Extrakte einer erlebnisreichen Vergangenheit angesehen werden dürfen. Denn Klugheit, die aus einem umfangreichen Erfahrungsschatz resultiert, ist die Hilfreichste. Ja, man könnte dann sogar von Weisheit sprechen. Am schönsten ist es, wenn man sie dann sprachlich auf den Nenner einer Redensart bringen kann. Einen solchen Fall haben wir hier vorliegen.

Unser Satz lautet: „Je mih mer em Dress rührt, dässte mih stink hä.“ Wer diese Wendung rein von der Wortwahl her auf Anhieb versteht, der hat schon einige Jahre im Rheinland verbracht. Wer auch die übergeordnete Bedeutung versteht, also die Metaebene, dem darf man eine rheinische Mentalität bescheinigen. Für alle anderen starten wir mit der Übersetzung ins Hochdeutsche: Je mehr man im Mist rührt, desto mehr stinkt er!

Sprachbild aus der Landwirtschaft

Zunächst einmal haben wir hier ein Sprachbild aus dem Landwirtschaftssektor, was ja bei rheinischen Redensarten immer wieder vorkommt, weil der das Leben der Menschen so lange bestimmte. Die Bauern sammeln die Stoffwechsel-Endprodukte ihres Viehs in der Regel auf dem Misthaufen. Man kann das riechen. Und zwar je intensiver, desto frischer gelagert ist.

Je mehr Du im Mist rührst, desto mehr stinkt er.

Je mehr Du im Mist rührst, desto mehr stinkt er.

Foto: GA-Grafik

Stochern mit der Mistgabel

Im Laufe der Zeit verflüchtigt sich der Geruch, es sei denn, man nähme eine Mistgabel und stocherte darin herum, wendete vielleicht den Mist, so dass neue Geruchsschichten freigesetzt würden. So viel zum banalen Vorgang. Gemeint ist mit dem Satz aber viel mehr. Denn die Redensart wird immer dann angewendet, wenn es jemanden gibt, der etwas zu verbergen hat. Er hat vielleicht etwas getan, von dem er nicht möchte, dass es öffentlich wird. Sei es, weil es strafrechtlich bewehrt oder moralisch nicht akzeptiert ist. Dann möchte er, dass es nicht an die Oberfläche kommt, Gras darüber wächst und niemand es aufrührt.

Wenn jetzt die Mistgabel ins Spiel kommt, dann kann das zu Nervosität führen. Nehmen wir das Beispiel Korruption, das nur in verschwiegenen Hinterzimmern nachhaltig gedeiht. Wenn man Öffentlichkeit herstellt, dann wir der modrige Gestank offenbar und jeder kann ihn riechen. Für alle Ethiker ist jetzt die eigentliche Frage: Was genau ist das Problem? Die Existenz des Misthaufens oder dessen Gestank? Ist es ersteres, dann dürfte man den Gestank loben, denn er weist uns auf das Problem hin. Was wiederum der erste Schritt zur Besserung sein kann. Sieht man lediglich den Gestank als Problem, dann kuriert man am Symptomen und es ist keine Besserung zu erwarten. Insofern ist die Redensart eine Warnung, die zwielichtige Gestalten einander geben.

Weitere Kolumnen sind in dem Buch “Rheinisch für Fortgeschrittene” erschienen, Edition Lempertz. Haben Sie auch eine rheinische Lieblingsredensart? Dann schreiben Sie uns an: rheinisch@ga.de

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