Immisitzung in Köln Jeder Jeck ist von woanders

dpa · Zum achten Mal feierten die Jecken auf der Immisitzung in Köln. Die aktuelle Auflage überzeugt mit Herz, Biss und Verstand und bietet Romantik, rabenschwarzen Humor und rasanten Wortwitz.

Acht Jahre Immisitzung. Das hört sich, im Zeitraffer, so an: "Im ersten Jahr waren wir sehr nett miteinander, weil eigentlich keiner verstanden hat, was der Andere sagt. Dann lernte man sich näher kennen und man glaubte zu verstehen, was der Andere meint und dann brach die Hölle los."

Was Moderatorin Myriam "Mymmi" Chebabi ("Eure persönliche Brasilianerin für heute Abend") da sagt, stimmt unbedingt. Die alternative Karnevalssitzung im Bürgerhaus Stollwerck, die 2010 mit acht Vorstellungen unter dem Motto "Jede Jeck is von woanders" an den Start ging, hat sich mächtig gemausert. Nicht nur, was die Anzahl der Termine angeht. Auch inhaltlich. Und am Ende klappt es dann auch mit der Integration, was Myriam Chebabi wiederum so beschreibt: "Dann sind wir uns einig, betrinken uns zusammen - jeder macht danach, was er will. Dieses Projekt ist integrativer als wir am Anfang wollten."

Nun also die achte Auflage. Und die überzeugt mit Herz, Biss und Verstand. Schon jetzt sind einige Vorstellungen bis zur letzten Darbietung am 28. Februar ausverkauft.

Romantik, rabenschwarzer Humor und rasanter Wortwitz - das ergibt, plus rattenscharfer Live-Band, tollen Stimmen, ausgefeilten Choreografien und zwei Puppenspielern auf der Höhe der Zeit eine höllisch gute Mischung. Am Ende von (mit Pause) drei Stunden hält es keinen der 370 Menschen im Publikum mehr auf den Bänken. In der kabarettistisch-karnevalistischen Nummern-Revue legen die 18 Akteure aus elf Nationen lustvoll Finger auf lokale und nationale Wunden und treiben globale Aufreger auf die Spitze.

In der wieder mal verspäteten KVB hagelt es Missverständnisse und Vorurteile - ein falsches Wort und schon ist der Andere zu dick, zu schwarz oder gar ein Faschist. Derweil werden im "Amt für Verkehrsmanagement" die Baustellen durch "einfügen", "entfernen" oder "ersetzen" verteilt, ein kölscher Marokkaner muss eine US-amerikanische Touristin auf Rekersche Armbreite auf Abstand halten, und die KG "Negerköpp" benennt sich aus Gründen der politischen Korrektheit kurzerhand in "Die Obamas" um.

Vom Einbürgerungstest der AfD bis zur Frisur von Donald Trump

Nicht nur Silvester und in der Session liegt in Köln so Einiges im Argen. Denn: die nächste Weihnachtszeit kommt bestimmt. Da finden Josef aus Nippes und Maria aus Ehrenfeld, obdachlos und in Kindeserwartung, ein neues Heim auf dem Rudolfplatz, das aber nur auf Zeit: "Da haben sie die Figürchen von der Krippe gestohlen". Und als serbische Schwiegertochter in spe setzt Immi-Neuzugang Mirjam Radovic dem kargen deutschen Weihnachtsessen ("Nehmen sie eine ganze Wurst?") einen grandiosen kulinarischen Verbal-Orgasmus entgegen. Dagegen ist Meg Ryan, der in "Harry und Sally" ein Hamburger zum (gefakten) Höhepunkt verhilft, nachgerade eine Klosterschülerin.

Beim Einbürgerungstest der AfD verliert ein Bewerber nicht nur Kopf und Kragen, sondern sämtliche Gliedmaßen, Donald Trump braucht bloß den richtigen Friseur ("Verdammt lang Hair"), und aus Stings "Desert Rose" basteln die Immis ein superschönes Liebesdrama zwischen wehenden Tüchern aus Chiffon. Die beiden Puppen, "der Franzose" und "der Dicke", tauschen indes oben auf der kleinen Bühne oberhalb der Hauptbühne "Nikotini"-Horrorfotos gegen Fußballsammelbildchen oder outen sich, passend zum Jubiläum, als Star Trek-Nerds. Längst sind aus den einstigen Pausenfüllern Stars geworden.

Einziger Kritikpunkt bei allem Lob: das Catering. Erstmals wird extern für die Verpflegung gesorgt. Die Brötchen sind arg trocken, traditionelle Immi-Snacks wie Zaziki, Oliven oder gefüllte Weinblätter werden schmerzlich vermisst.

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