Rheinische Redensarten Jo, simme dann he em Hännesche?
Der GA stellt schöne und sinntiefe Redewendungen des Dialekts vor. Heute: Jo, simme dann he em Hännesche?
Manchmal geht es in rheinischen Haushalten alltags turbulent zu. Das war früher so, und das ist wahrscheinlich auch heute noch so. Denn wo die Menschen lebhaft sind, da fliegen auch schon mal die Fetzen, auch im Positiven. Leidenschaft pur. Und wenn wir uns mal die Situation vorstellen: Ein Haus voller Kinder, große Unruhe, viel Gerenne, viel Geschrei, da kann es schon mal vorkommen, dass meinetwegen der Vater brüllt: „Jo, simme dann he em Hännesche?“
Das ist tatsächlich eine Redensart, die fast überall im Rheinland vorkommen kann. Und jeder weiß, was gemeint ist. Für alle, die sich später in die Sprachevolution eingeschaltet haben, hier die sinngemäße hochdeutsche Übersetzung: Ja, sind wir denn hier im Theater? Das kennt man. Mit Theater ist der Ort gemeint, wo alles passieren kann, wo Ordnung keine verlässliche Kategorie ist und wo es gelegentlich drunter und drüber geht. Mit einem Wort: Hier ist das Chaos zu Hause. Kein Wunder, denn in der theatralischen Übertreibung zeigen sich erst die Charakterzüge der Persönlichkeiten in schönster Ausprägung. Der o.g. Vater brüllt also mit dem Satz gegen das Chaos im eigenen Hause an.
Eine Theater mit Stockpuppen
Tatsächlich ist aber bei dieser Redewendung nicht vom Theater im Allgemeinen die Rede, sondern vom Hänneschen-Theater, also von jener Kölner Bühne, die die kölsche Seele mit ihren Stockpuppen am besten repräsentiert. Da gibt es Tünnes und Schäl, Hänneschen und Bärbelchen. Aber auch tatsächlich lebende Persönlichkeiten finden da ihren Alias. Zum Beispiel der inzwischen betagte Niederdollendorfer Reimredner Willi Armbröster, der uns diese Redensart anempfohlen hat. Auch er tritt als Stockpuppe im Hänneschen auf.
Millewitsch und Hänneschen
Sprachlich ist die Ersetzung von „Theater“ durch „Hänneschen“ insofern interessant, als hier ein Einzelbegriff zum Gattungsbegriff erhoben wird. Das gibt es gelegentlich, wenn man etwa im Karneval einen x-beliebigen Indianer als „Winnetou“ bezeichnet. Das Hänneschen-Theater ist übrigens vor fast 220 Jahre von dem Bonner Schneider Johann Winters gegründet worden. 45 Jahre später war es ein gewisser Herr Millewitsch, ein direkter Vorfahre von Willy Millowitsch, der ebenfalls ein Puppentheater in Köln eröffnete. Das wurde aber vor 100 Jahre geschlossen, und später machte die Familie in Volksschauspielerei. Wie dem auch sei, das Hänneschen existiert immer noch, heißt ganz offiziell „Puppenspiele der Stadt Köln“ und ist lebendig wie eh und je (s.o.).