Dialekt in Köln Kölsch: Ein Wörtchen wie ein Wappen

KÖLN · LVR-Wissenschaftler Georg Cornelissen porträtiert eine facettenreiche Sprache, die in Deutschland ihresgleichen sucht. Der Orden der Funken war der Auslöser.

 2007 überreichten die Roten Funken dem Bonner Sprachforscher Georg Cornelissen den Orden „Och do bes Kölle“ , der ihn dazu bewog, in diese Richtung zu forschen.

2007 überreichten die Roten Funken dem Bonner Sprachforscher Georg Cornelissen den Orden „Och do bes Kölle“ , der ihn dazu bewog, in diese Richtung zu forschen.

Foto: Simon Cornelissen

2007 war er bei den Roten Funken zu Gast. Eine Einladung, die von einem gewissen Magengrummeln begleitet wurde. „Ich bin als gebürtiger und bekennender Niederrheiner und Wahl-Bonner da aufgeschlagen und wollte den Jungs einen Vortrag über Kölsch halten“, sagt Georg Cornelissen, „sie haben mir aber trotzdem den Orden verliehen“.

Er zeigt einen lachenden Gardisten, der in der linken Hand eine Klatsche hält und mit der rechten dem Betrachter einen Spiegel entgegen reckt. Das Fundament bildet ein Relief der Domstadt, darunter steht, in Abwandlung des damaligen Sessions-Mottos „Mir all sin Kölle!“, der Satz „Och do bes Kölle!“. Auch du bist Köln. Dieses erzdemokratische Dekret, das es jedermann ermöglicht, sich dem kölschen Kosmos zugehörig zu fühlen, ganz gleich, ob Eingeborener, Zugereister, Muttersprachler oder mundartlicher Quereinsteiger, begriff der LVR-Wissenschaftler und Sprachkundler als „eine Ermunterung zu forschen“.

„Uns Sproch es Heimat“ als ideales Karnevalsmotto

Als das Motto der Kölner Karnevalisten für 2019 bekannt wurde – „Uns Sproch es Heimat“ (Unsere Sprache ist Heimat) – gab Cornelissen dann richtig Gas. Die Ergebnisse seiner Forschungen liegen jetzt in Buchform vor. „Kölsch. Porträt einer Sprache“. Aber: „Mein Buch ist keine Kölner Sprachgeschichte.“

Es erklärt zwar, wo die Wurzeln liegen (im Mittelalter), wie es kam, dass das Hochdeutsche Einzug hielt (durch die neuhochdeutsche Schriftsprache im 16. Jahrhundert) und was die Franzosen und die Preußen bewirkten (sprachlich weit weniger, als allgemein kolportiert wird), aber es widmet sich auch neuzeitlichen Phänomenen, die dazu beitrugen, Kölsch zu einer variantenreichen Sprache zu machten, die in Deutschland ihresgleichen sucht. Dass Kölsch tatsächlich „weltbekannt“ war, wie eine Zeitung 1972 behauptet, bezweifelt Cornelissen zwar zu Recht, aber unter den deutschen Großstädten kommt Köln gleich nach München, und „gemessen an der Medienpräsenz hat Kölsch die Nase vorn!“ Das begann schon mit Konrad Adenauer und Willy Millowitsch, die mit „Kanzlerrheinisch“ und „Fernseh-Kölsch“ für bundesweite Bekanntheit sorgten. TV-Übertragungen von Karnevalssitzungen und Bands wie die Bläck Fööss, BAP und Brings taten ein Übriges, um kölsche Sprachkultur weit über den rheinischen Tellerrand zu verbreiten. Wobei letztgenannte Combo in Verbindung mit dem Substantiv „zick“ (Zeit) sogar ein Eigenschaftswort aus der Taufe hob: supergeil, gesprochen superjeil.

Basierend auf Fragebogen, Tonaufnahmen, Interviews und historischen Quellen, beleuchtet Cornelissen aber auch die geografische und die soziologische Seite: wer kallt, schwaadet oder bubbelt wo warum Kölsch? (Land- und Stadtkölsche, Muttersprachler, auf der Straße-Unterrichtete, Anlernlinge aus dem Umkreis, Ältere mehr als Jüngere).

Ist es von Vorteil oder von Nachteil, wenn man Kölsch spricht? (Je nachdem. Wer beides kann, ist fein raus.) Fördert kölsches Marketing den Verkauf ? (Ja. Sogar auf Englisch und Elektronikbereich: „Made in Kölle“ und „D’Technik kütt“).

Das alles wird zwar äußerst unterhaltsam dargeboten, ist aber wissenschaftlich fundiert und mit zahlreichen Zitaten, Beispielen und Wortverbreitungskarten belegt. Ein bisschen den Hirnkasten ankurbeln muss man schon, wenn man verstehen will, was kölsches Platt, kölsche Mungkaat (Mundart), kölschen Dialekt und kölsche Sprache voneinander unterscheidet. Oder auch nicht. Sich deshalb zum Clown zu machen, liegt Cornelissen fern. Von ihm stammt der Ausspruch: „Ich bin nicht Bastian Sick, der die Sprache braucht, um witzig zu sein, sondern ich benötige den Humor, um Wissen zu vermitteln.“

Dafür, warum er als Titel „Kölsch“ und nicht „Kölle“ wählte, gibt er im Buch hingegen selbst eine Erklärung: „Kölsch – ein Wörtchen, das die Verbindung zur Heimatstadt unmissverständlich zum Ausdruck bringt. Ein Wörtchen wie ein Wappen.“ Viele Kölner tragen es inzwischen (wieder) mit Stolz.

Georg Cornelissen: Kölsch. Porträt einer Sprache. Greven Verlag, 184 Seiten, 11 Euro.

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