Das ist Rheinisch Kriech’n mol!
Rheinland · Der GA erklärt kurz und knapp alles, was man über den rheinischen Dialekt wissen muss. Immer mit dabei eine rheinische Redensart. Diesmal ist es: Kriech’n mol!
Der Rheinländer ist in vielen Bereichen ein gut einsetzbarer Allroundspezialist. Singen, tanzen, reden, schweigen - sein Verhaltensrepertoire scheint unerschöpflich. Aber... Wir müssen an dieser empfindlichen Stelle mal auf ein Manko hinweisen. Auf etwas, das ihm tatsächlich fehlt. Denn ein Romantiker, das ist der Rheinländer nicht. Zärtlichkeit ist für ihn beinahe ein Fremdwort.
Kein Romantiker
Er kann fest zupacken. Und er kann sein Gegenüber kräftig anstupsen, wenn ihm gefällt, was der durch die Zähne gepresst hat. Aber zarte Liebkosungen? Fehlanzeige! Ja, manchen gilt dies als Zeichen der Verweichlichung. Und wenn er dann doch mal über seinen Schatten springt, dann kommt folgende Aufforderung ins Spiel: "Kriech'n mal!"
Das ist schön kurz und knapp und bedeutet in allgemeinsprachlichem Deutsch: Nimm ihn doch mal in den Arm! Es ist kein Zufall, dass hier die männliche Form den Satz prägt, denn - wie so oft - Mädchen und Frauen haben auch hierzulande weniger Hemmungen, ihre Gefühle zu zeigen, als der andere Teil der menschlichen Spezies.
Umarmen und trösten
Kriech'n mol, sagt die Mutter, wenn der Sohn todtraurig in der Wohnküche steht, ihm die dicken Tränen von der Wangen laufen, weil er vielleicht ein Fußballspiel verloren hat, oder sein Fahrrad verbogen im Straßengraben liegt. Dann soll der Vater ihn mal umarmen und trösten. Bezeichnend ist, dass der Vorgang nicht genau beschrieben wird. Die Anweisung klingt eher wie eine Anleitung zur Bestrafung. Es ist sprachlich gesehen ein trojanisches Pferd. Nur wer die Fähigkeit besitzt, in die nicht gerade transparente Seele des Rheinländers zu blicken, vermag die Poesie in diesem Satz in ganzer Tiefe zu verstehen.
Aber Vorsicht: Das Ganze kann nach einer kurzen Umarmung schon zu ende sein. Und dann folgt, wenn die Tränen etwa wegen einer Rangelei mit dem Nachbarsjungen geflossen sind, die unerbittliche Aufforderung: Jung, du musst dich wehren! Ein Indianer kennt keinen Schmerz! Das war's dann schon mit der Gefühlsduselei. Und es geht wieder raus in die feindliche Welt mit all ihren Herausforderungen.
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