„Hier wird das Brauchtum untergraben“ Martinszüge in Vorgebirge und Voreifel stehen auf der Kippe

RHEIN-SIEG-KREIS · Die Veranstalter der Martinszüge im Vorgebirge und in der Voreifel suchen nach Alternativen, falls die Polizei sie wegen ihres Einsatzes bei der UN-Klimakonferenz nicht begleiten kann.

 Viele Martinszüge wollen auch ohne Polizei starten. In den meisten Fällen begleitet die Feuerwehr die Züge.

Viele Martinszüge wollen auch ohne Polizei starten. In den meisten Fällen begleitet die Feuerwehr die Züge.

Foto: Wolfgang Henry

Die große Weltpolitik beeinflusst manchmal auch das Dorfleben. Weil zur Sicherung der UN-Klimakonferenz vom 6. bis 17. November in Bonn alle verfügbaren Polizeikräfte benötigt werden, machen sich die Veranstalter in Bonn bereits Gedanken, wie man die Polizisten, die sonst die Züge begleitet haben, ersetzen soll.

Nicht ganz so dramatisch wirkt sich die Nachricht beispielsweise auf die beiden Martinszüge in Alfter am 8. und 9. November aus. Diese hat bisher immer nur ein Polizist eskortiert, der Weg führt hauptsächlich über Nebenstraßen. „Sollte dieser eine Polizist ausfallen, können wir ihn auch durch Freiwillige ersetzen“, sagt Ortsvorsteher Werner Jaroch.

Insgesamt beteiligen sich an beiden Zügen mehr als 1200 Kinder, die Katholische Grundschule und die Vorgebirgsschule begleiten das Geschehen. Obwohl der Zug auch ohne Polizei stattfinden kann, ist Jaroch sauer. „Ich finde diesen Abzug bescheuert, hier wird mit aller Gewalt das Brauchtum untergraben. Was hat der Klimaschutz mit unserem Zug zu tun? Das war eine unüberlegte Handlung, ich bin total dagegen“, sagt er.

Heinz-Günter Kruse, Ortsvorsteher von Swisttal-Straßfeld, sieht das ähnlich. Dem Martinszug stand bisher immer ein Beamter, maximal waren es zwei Beamte, zur Seite. Dass dieser jetzt wahrscheinlich nicht mehr dabei ist, sei kein Problem. „Unseren Zug begleitet die Feuerwehr mit zwei Löschzügen, da sollte nichts schiefgehen“, so Kruse. Der 60 Teilnehmer umfassende Martinszug geht normalerweise ein Stück über die Kreisstraße 3. Sollte diese Strecke ohne die Polizei nicht machbar sein, würde man sich eben eine andere Route suchen, meint Kruse.

Generell finde er die Vorgehensweise der Bonner Polizei nicht in Ordnung. „Wir haben uns daran gewöhnt, uns auf Unannehmlichkeiten einzustellen, und können auf die Freiwillige Feuerwehr zurückgreifen. Trotzdem kann es nicht sein, dass lokale Martinszüge wegen eines solchen Ereignisses eingeschränkt werden.“

Auch beim Martinszug in Swisttal-Odendorf ist stets ein Polizist vertreten. „Der hat mich aber bereits angerufen und gesagt, dass er dieses Jahr nicht dabei sein kann“, sagt Elisabeth Kümpel, Vorsitzende des Martinsausschusses. Grund dafür sei die Weltklimakonferenz. Doch auch in Odendorf sei die Anwesenheit der Polizei keine Pflicht. „Wir haben bereits mit der Gemeinde und der Feuerwehr gesprochen. Unser Zug kann trotzdem losgehen“, so Kümpel. Die Strecke führt ein Stück über die vielbefahrende Ortsdurchfahrt, die L 11. Kümpel: „Wir gehen aber nur einen kleinen Teil über diese Straße, da wird sich die Feuerwehr kurz querstellen und dann den Verkehr wieder freigeben.“

Die mehr als 20 Ordner müssten keine Polizisten sein. Sie rekrutierten sich aus den Eltern und Betreuern. Kümpel hat Verständnis für die Ankündigung der Polizei: „Dass die Konferenz und Sankt Martin zusammenfallen, ist reiner Zufall – nächstes Jahr ist die Polizei wieder dabei. Die haben doch sowieso zu wenige Kräfte, da liegt der Fehler.“ Die Pressesprecherin der Stadt Meckenheim, Marion Lübbehüsen, sieht den Einsatz der Feuerwehr kritisch: „Eigentlich ist eine Feuerwehr nicht dafür da. Wenn nichts passiert: Super. Aber wenn doch, dann fällt die Haftung wahrscheinlich auf den Veranstalter zurück.“ Bei den hohen Polizeiaufgeboten bei Fußballspielen und Gipfeln bliebe das Brauchtum leider auf der Strecke.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort