Dat is Rheinisch Mer han all ens janz jruuß anjefange!
Rheinland · Der GA erklärt kurz und knapp alles, was man über den rheinischen Dialekt wissen muss. Immer mit dabei eine rheinische Redensart. Diesmal: Jruuß anjefange.
Die rheinischen Redensarten strotzen zuweilen von lebensweisheitlichem Inhalt. Sie sind dann gewissermaßen destillierte Lebenserfahrung. Und wo findet man Destilliertes besonders gerne? Natürlich in der Kneipe.
Deshalb ist es kein Wunder, dass die rheinischen Wirte, vielleicht gleich hinter den Frisören, über das größte Repertoire sprichwörtlicher Klugsätze verfügen. Denn es liegt auf der Hand, dass sich diese Berufsgruppe besonders viel anhören muss.
Mitteilungsbedürfnis und Schicksal
Wer als Gast an der Theke sitzt, hat oft ein Mitteilungsbedürfnis. Und nicht selten auch ein Schicksal, aus dem sich gut Rückschlüsse ziehen lassen. So hören Wirte viel und verarbeiten alles im Laufe der Zeit.
Nehmen wir mal einen Kneipier aus Bad Münstereifel, dessen Namen wir aus Gründen der Diskretion verschweigen. Man weiß ja nie. Jedenfalls sagt er an der passenden Stelle gerne: „Mer han all ens janz jruuß anjefange!“ Für die Zugezogenen übersetzen wir ins Hochdeutsche: Wir haben alle einmal ganz groß angefangen!
Kinder fangen klein an
Es gibt einen ganz ähnlichen Satz, der aber das Gegenteil besagt. Wenn kleine Kinder irgendeine Fertigkeit noch nicht ausgebildet haben, dann sagen Erwachsene gerne: Wir haben alle mal klein angefangen! Sie wollen damit trösten, dass etwas noch nicht ganz funktioniert.
In unserem Falle wird genau dieser allgemein bekannte Satz persifliert und ins Gegenteil verkehrt. Und dadurch erhält er eine völlig andere Bedeutung. Im Kern ist damit gemeint, dass man immer erst einmal mit ganz hochfliegenden Träumen und Erwartungen in sein Leben startet, die dann aber von der Realität eingeholt werden.
Karriere als Profifußballer
Beispiel gefällig? Viele kleine Jungen träumen von einer Karriere als umjubelter Profifußballer. Nur für die wenigsten realisiert sich der Traum. Und das kann zu Frust und Enttäuschung führen. Unterm Strich ist es allerdings ein Zeichen von Reife, zu erkennen, was man kann und was nicht. Stichwort: Realistisches Selbstbild. Es ist nur natürlich, dass man Abstriche bei seinen Jugendträumen machen muss.
Insofern ist es schon richtig: Als junger Mensch startet man meist mit ganz großen Plänen. Es gibt dazu ein anderes Sprachbild das besagt: Als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet!
Weitere Kolumnen sind in dem Buch “Rheinisch für Fortgeschrittene” erschienen, Edition Lempertz. Haben Sie auch eine rheinische Lieblingsredensart? Dann schreiben Sie uns an: rheinisch@ga.de