Phantasialand in Brühl Mit einem Arm nicht in die Achterbahn

BRÜHL/LOHMAR · Phantasialand-Besucherin Sandra Gerwing aus Lohmar wehrt sich dagegen, dass sie aufgrund ihrer Behinderung auf Fahrspaß im Brühler Freizeitpark verzichten soll. Weil sich die 35-Jährige nicht mit beiden Händen am Bügel festhalten kann, musste sie die Attraktion „Taron“ verlassen.

 Sandra Gerwing liebt es, Achterbahn zu fahren. FOTO: PRIVAT

Sandra Gerwing liebt es, Achterbahn zu fahren. FOTO: PRIVAT

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Für Sandra Gerwing ist es „nicht nachvollziehbar“. Die Lohmarerin liebt es, Achterbahn zu fahren. Doch das wurde ihr jetzt im Phantasialand untersagt. Von Geburt an fehle ihr der rechte Unterarm, schildert die 35-Jährige. Auf Fahrgeschäften – sei es im Brühler Park oder anderswo – habe das aber nie ein Problem dargestellt. Bis jetzt: Als sie vergangene Woche zum wiederholten Mal in der neuen Achterbahn „Taron“ saß, habe ein Mitarbeiter sie gebeten auszusteigen, „da ich nicht in der Lage sei, mich mit beiden Händen am Bügel festzuhalten.“

Beim Besucher-Service habe man ihr dann mitgeteilt, dass der Tüv ab diesem Jahr neue Bestimmungen hätte, „und dass so jemand wie ich mit keinem Fahrgeschäft dieser Art fahren dürfte.“ Daraufhin sei ihr der Eintritt erstattet worden, und sie habe den Park verlassen.

„Es kann nicht sein, dass es Voraussetzung ist, nur mitfahren zu dürfen, wenn man sich mit zwei Händen festhalten muss, denn dann müsste man generell die Sicherheit des Fahrgeschäftes infrage stellen“, meint die Lohmarerin.

Sie arbeite selbst in einer Einrichtung für Behinderte und findet: „So etwas darf nicht einfach so hingenommen werden.“ Schließlich sei immer von Barrierefreiheit die Rede. „Ich fahre für mein Leben gern Achterbahn“, macht sie deutlich, wie wichtig ihr das Thema ist: „Damit wird mir ein großes Stück Lebensqualität genommen und nicht nur mir, sondern auch allen anderen behinderten Menschen.“

Dem Parkdirektor des Phantasialands, Ralf-Richard Kenter, ist der Vorfall nicht bekannt. Es gebe nicht allgemein neue Tüv-Vorschriften, erklärt er, „sondern zu jeder Attraktion gibt es individuelle Nutzungsbestimmungen“. Für die neue Achterbahn „Taron“ gelte die klare Vorgabe vom Hersteller, „dass man sich mit beiden Händen festhalten können muss“, so Kenter. „Natürlich ist der Bügel per se geeignet, den Gast entsprechend sicher auf dem Sitz zu halten“, betont er.

Aber mit Blick auf die besondere Beschleunigung der Achterbahn gebe es die zusätzliche Regel, die genau kontrolliert werde. Dabei gehe es auch um Situationen, in denen es zu einer „Abweichung vom Soll“ komme – wenn etwa ein Stopp aus Sicherheitsgründen erforderlich werde.

In den Vorschriften für die Attraktion, die im Internet nachzulesen sind, ist der Hinweis „Bitte während der gesamten Fahrt gut festhalten“ zu finden. Das Hinausstrecken der Arme ist „streng verboten“. Auch Personen, die beispielsweise kleiner als 1,30 Meter sind, dürfen nicht mitfahren.

Grundsätzlich kontrolliere das Personal erkennbare Nutzungseinschränkungen sorgfältig, sagt Kenter. Im Fall von Sandra Gerwing sei der Umstand, dass ihr ein Unterarm fehle, vielleicht bei anderen Achterbahnen, an denen die spezielle Vorgabe zum Festhalten am Sicherheitsbügel nicht gelte, auch nicht in allen Fällen bemerkt worden. Die Angabe, dass sie zuvor schon auf anderen Achterbahnen und auch auf „Taron“ gefahren sei, sei für ihn nicht prüfbar.

„Die Sicherheit muss Vorrang haben“

Zu der Frage, welche Fahrgeschäfte die Lohmarerin denn künftig noch besuchen könne, wollte Kenter sich nicht äußern, da er die Besucherin und den Einzelfall nicht kenne. Grundsätzlich gelte, dass man als Mensch mit Behinderung damit rechnen müsse, die Fahrgeschäfte nicht nutzen zu können.

Eine einschlägige DIN- und europäische Norm stelle dazu klar, dass es sich nicht um Diskriminierung handle, wenn Ausschlüsse von Personen aus Sicherheitsgründen erfolgten, sagt Kenter. „Es tut mir von Herzen leid, aber es muss eine Grenze gezogen werden, wo die Sicherheit tangiert ist. Die Sicherheit muss Vorrang haben.“

Menschen mit Behinderung bekämen aber günstigeren und teils freien Eintritt in den Park, der auch Shows und Gastronomie biete. Zudem beträfen die Nutzungseinschränkungen verschiedene Personengruppen, betont der Parkdirektor: So sei die Körpergröße ein wichtiges Kriterium. Auch für Schwangere sowie Personen, die kürzlich eine Krankheit überstanden oder einen Herzschrittmacher hätten, kämen manche Attraktionen nicht infrage.

Er empfehle Menschen mit Behinderung, sich vor dem Besuch des Parks auf der Internetseite über die Sicherheitshinweise der einzelnen Fahrgeschäfte zu informieren. Es sei auch möglich, sich mit Fragen an die Hotline oder per Mail an den Park zu wenden. „Allerdings können wir keine medizinische Einschätzung eines Einzelnen vornehmen“, gibt er zu bedenken.

Gerwing habe richtig reagiert, dass sie sich an den Gästeservice gewandt habe. „Aber auch die Kollegen haben korrekt gehandelt. Auch indem sie ihr den Eintritt erstattet haben“, so Kenter: „Das ist eine Geste, mit der wir sagen möchten, dass wir sie nicht enttäuscht alleine lassen. Die Enttäuschung kann ich nachvollziehen, aber uns sind für einen sicheren Betrieb nun mal Grenzen gesetzt.“

Sandra Gerwing ist das zu „schwammig“. Sie verstehe, dass der Park sich absichern müsse, aber vorher dort anzurufen ohne sicher zu sein, ob sie dann wirklich ein bestimmtes Fahrgeschäft nutzen dürfe, sei keine Lösung.

Und wenn es ein Muss sei, sich auf „Taron“ mit beiden Händen festzuhalten, „dann müsste man auch allen das Fahren verbieten, die die Hände während der Fahrt in die Luft halten“, findet sie. „Ich kann mich damit nicht zufrieden geben.“ Sie habe bereits den Tüv angeschrieben und wolle „dran bleiben, damit ich und andere, die ähnliche Leiden haben, Achterbahn fahren dürfen.“

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