Carolin Kebekus im GA-Interview Pussy macht Terror

Bonn · Sie hat reichlich zu tun im Moment. Eine neue Bühnenshow will geschrieben und getestet werden, dann sind da noch die Sendung im WDR und die Moderation des Deutschen Comedypreises am 20. Oktober in Köln. Zwischen allen Aktivitäten nahm sich Carolin Kebekus die Zeit für ein Interview mit dem GA.

Frau Kebekus, Sie machen sich gerade für eine Vorstellung auf den Weg nach Datteln. Weiß Ihr Fahrer, wo das liegt?
Carolin Kebekus: Der Fahrer ist - und das hat keinen gendermäßigen Hintergrund - eine Fahrerin. Und sie weiß, wo Datteln liegt. Zumindest weiß sie, wie man "Datteln" ins Navi eingibt.

Sie testen Ihr neues Programm auch im Pantheon. Was passiert da auf der Bühne?
Kebekus: Ich probiere neue Ideen aus, die zunächst nur in meinem Kopf funktionieren. Mittlerweile weiß ich zwar aus der Erfahrung, dass meine Ideen meistens auch dem Publikum gefallen, aber manchmal fehlt noch der krönende Abschluss einer Nummer. Erst wenn man vor Menschen spielt und spricht, entsteht auch etwas.

Gibt es dazu ein Beispiel?
Kebekus: Am Freitag habe ich in Selm gespielt und unglaublich viel über Penisse erzählt. Die Leute waren schön verwirrt, vielleicht haben sie auch viel gelernt.

Gibt es zu diesem Thema etwa neue Erkenntnisse?
Kebekus: Es gibt diesbezüglich immer noch was Neues. Lassen Sie sich überraschen.

Ist die Zeit reif für ein neues Programm?
Kebekus: Ja. Ich spiele "Pussy Terror" seit 2011. Ich habe zwar oft aktualisiert und neue Elemente eingebaut. Jetzt will ich mich jedoch ins kalte Wasser schubsen.

Was sind die Themenbereiche? Frauen und Männer? Männer und Frauen?
Kebekus: Auch. Alles, was mich betrifft als junge Frau. Okay, als mitteljunge Frau. Ich bin ja auch schon 35. Thema ist alles, was mich umgibt: die Medien, das Internet, der Shitstorm. Ich könnte einen ganzen Abend nur über Shitstorms erzählen.

Woher das wohl kommt?!
Kebekus: Klar, ich wurde schließlich schon aus allen Lagern beschimpft. Aber auch die Sexualität bleibt ein zentrales Thema. Ich gehe der Frage nach: Wie sieht eigentlich die Sexualität von Mädchen und Frauen aus?

Können Sie schon ein paar Antworten verraten?
Kebekus: Das Allererste, was die Mädchen zu hören bekommen ist: Pass auf! Bloß nicht schwanger werden! Du musst Karriere machen, Geld verdienen!

Und was müssen sich Frauen mit 35 anhören?
Kebekus: Ich werde permanent gefragt: Wo sind deine Kinder? Du musst Kinder haben! Also, es gibt noch viele Themen, die zu beackern wären.

Wobei Sie in Sachen Sexualität schon mehrmals die Hose runtergelassen haben, oder?
Kebekus: Ja, an der Masturbation habe ich mich tatsächlich abgearbeitet.

Wie reagiert das Publikum in solchen intimen Momenten?
Kebekus: In solchen Situationen wird ein Auftritt oft erst richtig lustig. Bisher sind diese Themen immer gut angekommen.

Entstehen Ihre Texte aus dem Bauch heraus? Oder arbeiten Sie mit Autoren?
Kebekus: Ich arbeite auch mit Autoren. Aber ich beginne allein mit einem groben Gerüst und lasse die Dinge entstehen, indem ich sie spiele, dann feile. Oft hängt es an einem Wort, am Satzbau. Der finale Schliff ergibt sich tatsächlich meistens auf der Bühne.

Spüren Sie den Druck, zu allen aktuellen Themen einen Kommentar abgeben zu müssen? Erst Grexit, dann Flüchtlinge?
Kebekus: Dieser Zwang existiert, aber: Wenn ich dazu nichts zu sagen habe, lasse ich es lieber. Alles andere wäre gezwungen.

Waren Sie schon Kind so mitteilsam?
Kebekus: Aber hallo! Ich habe unheimlich gerne Witze erzählt, sehr oft und sehr viele. Wenn keiner gelacht hat, habe ich den Witz so lange wiederholt, bis gelacht wurde.

Was hat Sie getrieben?
Kebekus: Ich habe einfache gern Leute unterhalten, Geschichten erzählt, etwas vorgetanzt. Ich habe sogar am Klavier Konzerte gegeben, obwohl ich gar nicht spielen konnte.

Das war immer so?
Kebekus: Na ja, in der Pubertät war ich mal kurz schüchtern, danach wieder sehr laut und nach außen gekehrt. Partys endeten meistens damit, dass ich in der Küche stand und den Rest unterhalten habe.

Sie sind über ein Praktikum bei RTL zur Unterhaltungsbranche gekommen. Wie lief das?
Kebekus: Ich war Praktikantin bei den "Freitag Nacht News", Hugo Egon Balder, der Chef, hat mich relativ schnell in kleinen Sketchen eingesetzt. Ich habe Kaffee gekocht, die Komparsen nach Hause gefahren, aber auch mitgespielt oder als Aufnahmeleiterin gearbeitet. Insofern habe ich alles von der Pike auf gelernt.

Sie agieren stets ziemlich aufgekratzt, voller Energie. Kann man das lernen?
Kebekus: Weiß ich nicht. Bei mir geht das nicht anders: Man steht allein vor dem Publikum, hat kein Orchester, keine Tänzer, kein Feuerwerk - nur ein Mikro.

Hat diese Power auch etwas mit Köln zu tun? Würde Carolin Kebekus als Schwäbin oder Sächsin funktionieren?
Kebekus: Ich wurde schon oft darauf angesprochen und war immer erstaunt. In meinem Freundeskreis sind fast alle Mädels so wie ich. Ich glaube schon, dass das an Köln liegt, an dieser Stadt, dieser Kneipenszene. Aber auch an dieser bürgerlichen Kultur, in der man sich als Frau etwas raubeiniger durchsetzen muss.

[kein Linktext vorhanden]Sie haben im WDR mit "Pussy Terror TV" eine eigene Sendung. Letztens haben Sie in der Rolle Ihrer Kunstfigur Veronika Rodcke ein schwules Pärchen "in der Nachbarschaft" besucht. Was hat Sie inspiriert?
Kebekus: Ich habe viele schwule und lesbische Freunde, die permanent ihre Erfahrungen machen. Allein die Diskussion über die Homo-Ehe hat viele lustige und denkwürdige Ansichten zum Vorschein gebracht. Zum Beispiel: "Ich habe ja nichts gegen Schwule, aber wie lang wollen die dat denn noch machen, die kriegen doch nie eine Frau, wenn sie so lange schwul sind." An meiner Figur Veronika Rodcke zeigt sich, welche fiesen Gedanken sich oft hinter der Political Correctness verbergen.

Die Political Correctness haben Sie in der Vergangenheit einige Mal aus den Fugen gebracht - etwa mit Ihrem berüchtigten Kirchen-Video. Ist der Ärger mittlerweile verraucht?
Kebekus: 2013, als das Video entstand, hatten sich in der Öffentlichkeit viele Reizthemen aufstaut: Frauen in der Kirche, Geschiedene in der Kirche. Die Position des Papstes war vakant, ich habe mich bei Kardinal Meisner als Päpstin beworben - harmlos, aber es gab einen Riesenaufstand. Ein vergewaltigtes Mädchen wurde von einem katholischen Krankenhaus abgewiesen. Es hat sich immer mehr aufgestaut, dann habe ich im Nonnenkostüm dieses Video gedreht.

Der WDR hatte damit ebenfalls Probleme. Vertragen Sie sich jetzt wieder mit dem Sender?
Kebekus: Natürlich. Wir haben das Thema ausführlich besprochen. Die Sache ist längst vom Tisch.

Auch Ihr Video "Atemlos" über Helene Fischer ist nicht bei allen Fans gut angekommen.
Kebekus: Die Kunst, einen Shit-storm auszuhalten, liegt darin, dass man sich die Kommentare gar nicht erst durchliest. In den seltensten Fällen bekommt man einen handgeschriebenen Brief.

Sie spielen mittlerweile in der ersten Liga der deutschen Comedy. Registrieren Sie das überhaupt?
Kebekus: Krass! Weiß ich nicht. Man selbst bekommt das nicht mit. Und wenn: Das kann morgen schon wieder vorbei sein, oder? Sind wir mal ehrlich.

Was stimmt Sie so nachdenklich?
Kebekus: Na ja, morgen kommt vielleicht schon der nächste Shit-storm.

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