Erneute Stimmauszählung in Rodenkirchen Rot-Grün steht in Köln auf der Kippe

KÖLN · Der Oberbürgermeister macht sich erstmal aus dem Staub. Wenn es heute Abend womöglich erste Gespräche über neue politische Konstellationen in Köln gibt, wird Jürgen Roters nicht dabei sein. Er befindet sich zu dieser Zeit auf dem Weg nach China.

 Kölns Stadtdirektor Guido Kahlen, als Wahlleiter inzwischen zurückgetreten, präsentiert Anfang April die Kopie eines Umschlag mit umstrittenen Wahlzetteln.

Kölns Stadtdirektor Guido Kahlen, als Wahlleiter inzwischen zurückgetreten, präsentiert Anfang April die Kopie eines Umschlag mit umstrittenen Wahlzetteln.

Foto: Nabil Hanano

Doch das Ergebnis der Neuauszählung eines Briefwahlbezirks, die heute um 14.30 Uhr beginnt, wird Roters sicher noch vor dem Abflug mitbekommen. Es könnte tatsächlich dazu führen, dass das Regieren für SPD und Grüne im Rat der Stadt Köln schwieriger wird.

Seit der Kommunalwahl vom 25. Mai 2014 hat Rot-Grün, mit der Stimme des OB, eine Mehrheit von 46 Mandaten gegenüber 45 der Opposition. Doch die steht auf der Kippe. SPD-Fraktionschef Martin Börschel beschwichtigt zwar im Gespräch mit dem GA, dass die SPD bis zur endgültigen Klärung der Sache ohnehin auf die Nutzung eines Mandats verzichtet habe und keine Abstimmung allein mit rot-grünen Stimmen zustande gekommen sei. Die CDU indes hofft mit einem zusätzlichen Mandat auf mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten in der Stadtpolitik, wie Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz sagt.

Zur Vorgeschichte: Der Stadtteil Rodenkirchen im Kölner Süden gilt als CDU-Hochburg. Bei den Wahlen zum Rat, zur Bezirksvertretung und auch bei der Europawahl hatten die CDU-Kandidaten und die jeweiligen CDU-Listen einen Vorsprung von rund 15 bis 17 Prozentpunkten gegenüber ihren SPD-Kontrahenten oder auch den SPD-Listen. Nur nicht im Briefwahlbezirk 20 874.

Dort erhielt laut Wahl-Niederschrift Elke Bussmann (SPD) 298 Stimmen und lag damit 17,5 Prozentpunkte vor Alexandra von Wengersky (CDU), die 175 Stimmen erhielt. Ein Ergebnis, das vielen seltsam vorkam und die Vermutung nahelegte, dass die Stimmenzahlen der Kandidatinnen verdreht wurden. So sieht es nicht nur die CDU, sondern auch das Kölner Verwaltungsgericht, das im März der Klage gegen das Kommunalwahlergebnis stattgegeben hatte. Für ein zusätzliches Mandat im Rat braucht die CDU laut Stadtsprecher Gregor Timmer nur sieben Stimmen mehr.

Sowohl für die Stadt als auch für die SPD war die Gerichtsentscheidung ein herber Dämpfer. Stadtdirektor Guido Kahlen - vor Jahren in gleicher Funktion in Bonn tätig - hatte die Forderung nach einer Neuauszählung stets mit dem Hinweis gekontert, die Wahlhelfer hätten sorgfältig gearbeitet. Dieser Meinung schloss sich die SPD an. Die Grünen wiederum hatten stadtweit Auffälligkeiten bei zehn weiteren Ergebnissen festgestellt, beantragten, alle Stimmzettel in Köln nachzählen zu lassen und fanden damit eine Mehrheit im Rat. Dem aber widersprachen die Regierungspräsidentin und auch das Verwaltungsgericht.

Also wird nun heute Nachmittag bei einer öffentlichen Sitzung des Wahlausschusses im Kalk-Karree nur der Briefwahlbezirk 20 874 ausgezählt. Und danach? Sollte die CDU tatsächlich sieben Stimmen mehr bekommen als die 175 bisher registrierten, müsste der SPD-Stadtverordnete Jochen Ott, zugleich Oberbürgermeisterkandidat seiner Partei, den Rat verlassen. Den SPD-Sitz erhielte dann Stefan Götz aus Deutz, der von der CDU-Reserveliste nachrücken würde.

Und im Rat? SPD und Grüne hätten keine Probleme, mit einer Minderheitskoalition zu regieren, sagen sowohl Börschel als auch der Grünen-Landesabgeordneter Arndt Klocke. Schließlich hätten sie das in Köln von 2004 bis 2009 praktiziert und auch im Land damit schon Erfahrungen gemacht.

Das sieht die CDU ganz anders. "Bei einem Haushaltsdefizit von rund 300 Millionen Euro und großen Herausforderungen in der Infrastruktur oder beim Wohnungsbau, kann langfristig nicht mit wechselnden Mehrheiten regiert werden", meinte Fraktionsgeschäftsführer Kienitz. Mit einem stabilen Bündnis rechnet er allerdings nicht vor der OB-Wahl im September. Schließlich ist die Ausgangslage dafür reichlich brisant: SPD-Kandidat Ott tritt dort gegen die von CDU, FDP und Freien Wählern unterstützte Grünen-Bewerberin Henriette Reker an. Sollte Reker tatsächlich gewinnen, würden CDU und FDP sicherlich nicht nur Mehrheitsbeschaffer für Rot-Grün werden wollen.

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