Sanierung bei Shell Godorfer Raffinerie-Standort muss seine „Hausaufgaben“ erledigen

Godorf · Der Gutachter Christian Jochum analysiert das Leck in der Godorfer Raffinerie, bei der 300 Tonnen Gasöl ausgetreten waren. Das Unternehmen will die Leitungen nun oberirdisch verlegen.

 Seit 2014 ist Shell bereits dabei, alle Straßendurchführungen in der Raffinerie zu Brückenkörpern umzubauen, in denen die Produktleitungen dann frei und einsehbar liegen.

Seit 2014 ist Shell bereits dabei, alle Straßendurchführungen in der Raffinerie zu Brückenkörpern umzubauen, in denen die Produktleitungen dann frei und einsehbar liegen.

Foto: Shell

Kleine Ursache, große Wirkung. Das Loch in der unterirdischen Leitung war kleiner als ein Stecknadelkopf. Gerade einmal 1,5 Millimeter. Durch dieses Leck am Godorfer Standort der Shell-Raffinerie sickerten innerhalb von zehn Jahren allerdings rund 300 Tonnen leichtes Gasöl ins Erdreich. Der Gutachter Professor Christian Jochum gab dem Unternehmen am Freitag einige „Hausaufgaben“, wie er sagte, damit solche Schadensfälle künftig vermieden werden können.

Der Schaden: Wahrscheinlich entstand ein 50 bis 60 Zentimeter großer Schaden am Mantelrohr durch Bauarbeiten bereits im Jahr 2010. Durch Risse im Asphalt konnten Wasser und Streusalz ins Mantelrohr eindringen und so auch das darin liegende Produktrohr schädigen. Durch Korrosion entstand dort ein winziges Loch von 1,5 Millimetern Durchmesser. Dieser Schaden wurde bei Ultraschallprüfungen in den Jahren 2016 und 2019 nicht entdeckt. Der Schaden im Mantelrohr verhinderte auch die Ableitung des Öls in den Rohrgraben. Das so verunreinigte Gebiet auf dem Werksgelände umfasst 1,3 Hektar. Es wird noch Jahre dauern, bis das Öl aus der Erde gefiltert ist. Bisher hat man etwa zehn Prozent des ausgetretenen Stoffes wieder aus der Erde geholt. Und zwar so: Der Grundwasserspiegel wird mit Pumpen abgesenkt. Diese Sanierungsbrunnen erzeugen einen Absenktrichter, in dem sich das auf dem Grundwasser schwimmende Gasöl sammelt. So kann es separat abgepumpt werden. Gleichzeitig verhindert die Absenkung des Grundwasserspiegels eine Ausbreitung des Öls.

Das Gutachten: Nachdem das ganze Ausmaß des Schadens im April dieses Jahres deutlich geworden war, beauftragte Shell mit Professor Christian Jochum einen unabhängigen Gutachter mit der Untersuchung des Falls. Jochum, früher Vorsitzender der Kommission für Anlagensicherheit beim Bundesumweltministerium, stellte am Freitag im Godorfer Werksteil seinen umfangreichen Abschlussbericht vor. Er analysierte den Schaden und gab dem Unternehmen dringende Empfehlungen auf den Weg. Würden diese schnell umgesetzt, sei dies ein großer Schritt, um die Sicherheit im Werk zu erhöhen. Zentrale Forderung Jochums ist die Verlegung aller, teils 60 Jahre alter Leitungen an die Erdoberfläche, um auch eine Sichtkontrolle zu ermöglichen. Denn eine Ultraschallkontrolle der Mantelrohre, die die Produktleitungen gegen mechanische Einwirkungen und Korrosion schützen sollen, sei technisch derzeit nicht möglich.

Der Sanierungsplan: Im Wesselinger Shell-Werk sind bereits alle Leitungen an die Oberfläche verlegt worden. In Godorf wurde 2014 damit begonnen, alle 145 Straßendurchführungen auf dem Werksgelände zu Brückenkörpern umzubauen. 68 sind bereits umgebaut, im nächsten halben Jahr sollen weitere 26 folgen. Auf einen genauen Zeitpunkt, wann die Sanierung abgeschlossen sei, wollte sich Raffinerie-Direktor Marco Richrath am Freitag nicht festlegen. Ursprünglich, also 2014, habe man das Jahr 2034 ins Auge gefasst. Man hoffe aber, dass man schneller fertig werde. Derzeit schaffe Shell neun Brückenbauwerke im Jahr. Hieße also, für die restlichen 51 Leitungsbrücken würden noch etwa sechs Jahre benötigt.

Das Sicherheitskonzept: Jochum stellte fest, dass „die hohe Zuverlässigkeit der Mantelrohre derzeit nicht unterstellt werden kann“, obwohl sie nach aktuellem Regelwerk zulässig seien. Nach einer Schädigung gehe deren Schutzfunktion verloren. Eine Prüfung der Rohre ohne Aufgrabung sei derzeit technisch nicht möglich.

Die Empfehlungen: Die Shell-Raffinerie soll möglichst bald Verfahren zur Überprüfung der Mantel- und der Produktrohre in Straßenunterführungen entwickeln, die Mantelrohre verstärkt mit Gasspürgeräten kontrollieren und die Grundwassermessstellen zur Erkennung von Leckagen nutzen. Das Unternehmen wird in den nächsten sechs Monaten insgesamt 26 Straßenunterführungen in Überführungen umwandeln. Der Sanierungsplan soll mit der Bezirksregierung Köln abgestimmt werden. Dringend empfiehlt Gutachter Jochum, die Sanierung beschleunigt anzugehen und Baumaßnahmen im Bereich von Straßenunterführungen intensiver zu kontrollieren. Der Schadensfall soll zur weiteren Sensibilisierung der Mitarbeiter genutzt werden. Erkenntnisse aus der Schadensanalyse sollen der Mineralölindustrie zur Verfügung gestellt werden.

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