Interview mit Kabarettist Werner Schneyder Schneyder: „Der allgemeinen Verblödung angepasst“

Swisttal-Morenhoven · Im Gespräch am Wochenende äußert sich der Kabarettist Werner Schneyder vor seinem Gastspiel am Mittwoch, 24. Mai, in Morenhoven über Selbstgespräche und Boxer im Kaffeehaus.

 Werner Schneyder

Werner Schneyder

Foto: Jeff Mangione

Das Zwiegespräch, welches Sie in Ihrem Buch führen, liest sich, wie eine Bilanz Ihres Lebens. Juckt es Sie nicht in den Fingern und dem Herzen kabarettistisch Stellung nehmen, zu Erdogan, Europa oder Martin Schulz?

Werner Schneyder: Ich bin in dieser Woche in Germering bei München in der ausverkauften Stadthalle, kurze Zeit später im Berliner Ensemble. Dies ist mein letztes Berufsjahr als Kabarettist – da habe ich jetzt noch etliche Gastspiele. Sie können sich vorstellen, dass ich am Wahlsonntag in NRW, unmittelbar nach der Verkündung des Wahlergebnisses, ein paar Stellen in meinem Programm aktualisiert habe.

In Zeiten, da viele den Populisten folgen und es ein Donald J. Trump ins Weiße Haus schafft, wie erlebt ein Menschen mit 80 Jahren Lebenserfahrung den Populismus?

Schneyder: Na ja, man schwankt zwischen Depression und Wut. Da ich mir Depression nicht erlaube, lege ich sie in Wut um. Weil (lacht): Man kann ja nicht aufgeben. Eine menschliche Existenz macht sich fragwürdig, wenn sie sagt: Es hat keinen Sinn. Ich werde noch genauerer: Ich habe als junger Mensch, als ich noch viel gelesen habe, ungeheuer gelitten unter allen Resignierenden – zum Beispiel in der Lyrik, etwa Gottfried Benn und seine große Absage an die Welt. Heute denke ich mir, da ich ein alter Mann bin, dass ich das jungen Menschen nicht zumute.

Im „Gespräch unter zwei Augen“ erfahren wir, dass Sie als Kind oft alleine waren und Ihre Eltern sich zyklisch mit den Nachbarn gestritten haben. Hatte das Auswirkungen auf Ihr Leben?

Schneyder: Ja, große. Selbstverständlich große Auswirkungen. Ich habe mir schon immer im Kindesalter die Frage gestellt, warum (lacht) Menschen nicht im Frieden miteinander leben können.

Konstantin Wecker berichtet uns, Sie wären lieber Sänger geworden, doch „leider kam der Intellekt dazwischen“. Sehen Sie das genauso?

Schneyder: Das ist eine vollkommen richtige Beobachtung. Ich glaube nicht, dass ich lange Sänger geblieben wäre – oder nur Sänger (lacht). Aber die Tatsache, dass ich sehr früh begonnen habe, Satiren zu schreiben oder andere Dinge in dieser Richtung, die kam mir dazwischen. Und dann kam noch das Kabarett dazu. Die erste Begegnung mit Dieter Hildebrandt, die war sehr biografieprägend.

Ihr Zwiegesprächspartner herrscht Sie an, Sie mögen genauer sein und weniger arrogant. Erfahren wir da eine Menge über Werner Schneyder?

Schneyder: Ich denke ja. Und ich hoffe es.

Beim Gespräch zum Thema Oper geben Sie sich als Freund von Verschwörungstheorien zu erkennen. Welcher Theorie gilt nach Ihrem Dafürhalten als bewiesen: der Führer im Raumschiff, die Leibhaftigkeit von Elvis...?

Schneyder: Ich sage: Die Verschwörung liegt darin, dass die Oper im Besitz eines Kartells ist. Die Oper ist globalisiert – mit einem Globalensemble. Und daher ist sie auf die Originalsprache festgelegt – aus künstlerischen Gründen, wie es heißt. Somit ist der Zugang des deutschen Publikums eine totale künstlerische Katastrophe. Wie am Bahnhof liest man da im Opernhaus die Texte, die von oben herunterflimmern. Dabei kann man feststellen, dass sie etwas ganz anderes singen, als sie tun. Das ist in seiner künstlerischen Lächerlichkeit und Fragwürdigkeit noch nicht hinreichend definiert.

In Morenhoven treffen Sie auf eine vergleichsweise gebildete Bevölkerung, die das Dörfliche in Rufweite zur Metropolregion Köln/Bonn schätzt. Stellen Sie sich vor einem Auftritt auf Ihre Zuhörerschaft ein?

Schneyder: Nein. Aber insofern: Ja. Wenn ich zum Beispiel in einer Theaterstadt lese, wo es ein Theater gibt, da lese ich alle meine Theatertexte. Während es dort, wo es kein Theater oder keine Oper gibt, die Oper in der Lesung auch nicht so vordergründig wichtig ist. Dann lese ich etwas anderes.

In den 70er Jahren sprach das Kabarettduo Hildebrandt/Schneyder Tacheles, heute füllt Mario Barth Stadien. Wie ist's um den Humor im deutschsprachigen Raum bestellt?

Schneyder: Es gibt eine Selbstregulierung in der menschlichen Gesellschaft. Vor Tagen war zu lesen, dass Mario Barth wegen mangelnden Verkaufs Termine seiner Tournee absagen muss. Man kann die Menschen für blöd verkaufen, aber nicht auf Dauer.

Comedian heißen Spaßmacher heute. Gibt es einen, vom dem Sie sagen: Der denkt nach, bevor er spricht?

Schneyder: Es gibt selbstverständlich unter den Comedians begabte Leute (denkt nach). Aber um sich in den letzten Jahren in dieser Branche in der Spitze halten zu können, musste man sich der allgemeinen Verblödung anpassen. Zwei bis drei Comedians werden sich in eine ernstzunehmende Unterhaltungskunst herüberretten.

Können Sie uns verraten, wenn Sie meinen?

Schneyder: Das möchte ich nicht. Aber ich weiß zum Beispiel von einem, bei dem ich am Anfang gesagt habe: Hallo, der ist ja wirklich komisch, der ist lustig. Mittlerweile parodiert er nur mehr sich selbst. Auf dass er sich besinnt...

Viele Fernsehzuschauer kennen Ihre sonore Stimme als Kommentator großer Boxkämpfe. Sie haben promoviert, lieben Oper, Theater und Operetten. Wie kam es, dass Sie sich derart fürs Boxen begeistern?

Schneyder: Die Jugend in der Provinzstadt. Dort gab es eine ungeheuer erfolgreiche Boxstaffel, und es gab eine Heldenverehrung. Der angehende Journalist mit 16, 17 Jahren hat zum ersten Mal über das Boxen geschrieben – natürlich wie jeder angehende Journalist einen ausgemachten Blödsinn. Dann hat mich der Trainer angerufen und gesagt: Wenn du schon über uns schreibt, sollst du wenigstens eine Ahnung haben, worum es geht.

Dann hat er Sie eingeladen: Komm doch mal im Boxring vorbei...?

Schneyder: Er hat mich ins Kaffeehaus eingeladen und mir die Sache von Grund auf erklärt. Später lud er mich zum Training ein. Der Kontakt ist nie ganz abgerissen.

Dafür bewundere ich die Menschen in Österreich. Man trifft sich im Kaffeehaus und bespricht sich beim Verlängerten. Von dieser Kultur können wir lernen.

Schneyder: Ich persönlich könnte auch ohne Kaffeehäuser leben. Aber es wäre wirklich erheblich weniger angenehm zu leben – ohne Kaffeehaus.

Am Ende des Buches erteilen Sie dem Glauben nach dem Leben nach dem Tod eine klare Absage. Ihre zweite Stimme lässt sich diese Möglichkeit offen. Sind Sie vielleicht doch neugierig, wie es weitergeht, wenn Sie die Augen schließen?

Schneyder: Ja. Ich glaube, Neugierde ist das beste Wort. Das Ärgerliche an der Sache ist: Wenn danach nichts mehr ist, merkt man's nicht (lacht). Ich hätte gerne die Erkenntnis, aber das ist, glaube ich, nicht vorgesehen.

Karten für das Gastspiel am Mittwoch, 24. Mai, 20 Uhr, im Morenhovener Kreaforum gibt's für 20 Euro unter www.kreaforum.de, in der Buchhandlung Kayser in Rheinbach, Hauptstraße 28, und an der Abendkasse. Mit dem Programm „Das war's von mir“ tritt er am Donnerstag, 25. Mai, in Köln, Volksbühne am Rudolfplatz, auf. Das Buch „Gespräch unter zwei Augen – Dialog eines Lebens“ ist im Amalthea-Verlag erschienen und kostet 22 Euro.

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