Das ist Rheinisch Set net esu pingelich, Dreck schürt de Mare!

Rheinland · Der GA erklärt kurz und knapp alles, was man über den rheinischen Dialekt wissen muss. Immer mit dabei eine rheinische Redensart. Diesmal: Dreck schürt de Mare!

 Drecke säubert (scheuert) den Magen!

Drecke säubert (scheuert) den Magen!

Foto: GA-Grafik

Von Zeit zu Zeit bekommen wir Post von Mundartsprechern, die uns ein Kapitel aus ihrer Kindheitsgeschichte erzählen. An dieser Stelle ein ganz aktueller Brief von Josef Breuer aus Friesdorf, weil er so exemplarisch ist: „In den Kriegsjahren 1939 bis 45 war meine Mutter mit uns drei Kindern zwischen 8 und 14 Jahren alleine zu Hause, weil unser Vater Soldat war. Wir hatten immer Hunger. Vieles gab es nicht, aber wir hatten einen großen Garten, es gab viel Obst. Wir haben immer alles direkt vom Strauch gegessen. Nun waren viele Früchte, besonders in Bodennähe, leicht mit Erde behaftet. Damals hat es im Sommer noch geregnet, und es wurden die bodennahen Früchte oft leicht mit Erde bespritzt. Es knirschte dann beim Essen zwischen den Zähnen.“

Seid nicht empfindlich!

Und genau in diesem Moment kam eine rheinische Redensart zum Einsatz, die gewissermaßen ein Doppelschlag ist: „Set net esu pingelich, Dreck schürt de Mare!“ Zu gut Hochdeutsch würde das in etwa heißen: Seid nicht so empfindlich, Dreck reinigt den Magen! Was die Vokabelauswahl angeht, bedeutet „pingelich“ eigentlich „peinlich genau“. Peinlich stammt vom Substantiv Pein gleich Schmerz. Die Wendung „schürt de Mare“ wiederum heißt wörtlich „scheuert den Magen“ im Sinne von sauber machen oder sauber halten.

Abwehrkräfte stärken!

Gemeint ist also, dass ein bisschen Dreck auf der Himbeere keineswegs schadet. Man solle also keine übermäßige Energie aufwenden, um auch noch das letzte Körnchen zu eliminieren, bevor man hineinbeißt. Interessant ist, dass dieser Satz auf höherer Bedeutungsebene ein uraltes Alltagswissen transportiert, das wissenschaftlich-medizinisch erst vor Kurzem nachgewiesen wurde. Nämlich, dass etwa Kinder ohne weiteres mit Dreck und Verunreinigungen in Kontakt kommen sollten, damit der Körper ein kräftiges Immunsystem aufbauen kann. Man sollte die diversen Krankheitserreger keineswegs vom Kind fern halten, denn an dem Kontakt mit ihnen stählt sich die körpereigene Abwehr (was ein Impfung bei besonders gefährlichen Erregern übrigens ergänzen kann). Um es im übertragenen Sinne in den Worten der Bibel zu sagen, kann also Staub fressen ein gesunder Vorgang sein.

Weitere Kolumnen sind in den Büchern “Rheinische Redensarten” und “Rheinisch für Fortgeschrittene” erschienen.  Haben Sie auch eine rheinische Lieblingsredensart? Dann schreiben Sie uns an: rheinisch@ga.de

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