EL-DE-Haus in Köln So steht es heute um das ehemalige Gestapo-Gefängnis

 Köln. · Die Serie „Köln unten“ lenkt den Blick auf besondere Orte im Kölner Untergrund. An den Zellwänden des EL-DE-Hauses in Köln haben Gefangene zwischen 1935 und 1945 bewegende Inschriften hinterlassen.

 Der Blick in den Hausbunker der Gestapo im Tiefkeller, wo Insassen Geständnisse erzwungen wurden. 

Der Blick in den Hausbunker der Gestapo im Tiefkeller, wo Insassen Geständnisse erzwungen wurden. 

Foto: Rheinisches Bildarchiv/Marion Mennicken/Marion Mennicken

Rechts neben der Treppe erstreckt sich ein Flur, zweigt nach links ab, die Marmorfliesen enden. Dahinter nur noch nackter Beton. 13 Stufen führen hinunter, am Ende der Treppe passiert man ein Eisengitter. Im Anschluss reiht sich eine Zelle an die nächste. Skizzen, einzelne Sätze, Jahreszahlen - an den Zellwänden steht ein Stück Geschichte der Jahre 1935 bis 1945. Geschichte, die von Gefangenen selbst erzählt wird.

Zu dieser Zeit dient das EL-DE-Hause in Köln als Hauptsitz der Geheimen Staatspolizei, kurz Gestapo. Im Keller richten sich die Beamten ein Hausgefängnis ein. Hier warten die Gefangenen auf ihr Verhör und hinterlassen über 1800 Inschriften. Eine eindrucksvolle Dokumentation ihrer Erlebnisse, Gedanken und Geschichten.

Briefe und Sätze wurden an die Zellwände geschrieben

 Eine Wand in der Gedenkstätte Gestapogefängnis: Inschrift eines unbekannten Gefangenen.

Eine Wand in der Gedenkstätte Gestapogefängnis: Inschrift eines unbekannten Gefangenen.

Foto: Marianka Mischa

„Uns steht der Galgen bevor, es tut einem leid sich von dem geliebten Mann zu trennen und von der weiten Welt“, lautet eine von zahlreichen Inschriften. Lange Briefe oder vereinzelte Sätze werden an die Zellwände geschrieben, Portraits gemalt, manchmal auch nur Initialen oder Daten. Einige sind klar zu erkennen, andere verblichen. „Es wurden verschiedenste Gegenstände verwendet, meist das, was man gerade zur Hand hatte: Bleistifte, Kohlestückchen, sogar Lippenstift. Einige Inschriften wurden auch mit Essensbesteck, Eisennägeln oder den Fingernägeln in die Wand geritzt“, sagt Werner Jung, Direktor des NS-Dokumentationszentrums. Über 600 Inschriften sind auf Kyrillisch verfasst, viele weitere auf Französisch, Polnisch und Niederländisch. „Das zeigt, dass die Inschriften vor allem von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern sind, die zum Kriegsende hier festgehalten wurden“, erklärt Jung.

Zu Anfang des NS-Regimes seien vor allem politische Gegner ins Visier der Gestapo geraten, später auch Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter. „Man kann davon ausgehen, dass über 400 Gefangene im Innenhof des EL-DE-Hauses gehängt wurden“.

 Die Bedingungen, unter denen die Gefangenen lebten, sind heutzutage unvorstellbar. Abdrücke von zwei eisernen Pritschen lassen sich am Boden einiger Zellen noch erkennen. Die zehn Gefängniszellen, je sechs Quadratmeter groß, sind vorgesehen für ein bis zwei Personen. Eine französische Inschrift belegt jedoch, dass es mit dieser Vorgabe nicht so genau genommen wurde: „Die deutschen Sitten enthüllen sich besonders in Zelle sechs, wo die es fertigbringen bis zu 33 Menschen auf einmal hineinzupferchen!“.

Die Insassen dokumentierten also die Zustände, unter denen sie leben mussten. „Wir haben hier eine direkte Überlieferung“, sagt Jung. „Das ist in dieser Form in Europa einmalig.“

Auch über ihr Leben schreiben die Insassen, die in den Zellen auf ihr Verhör warten. So lassen sich selbst Einzelschicksale recherchieren und rekonstruieren. „Es gibt zum Beispiel die Geschichte der Französin Marinette, die ihrem Freund nach Deutschland folgt“, erzählt Jung. Marinette arbeitet bei einer deutschen Familie als Hausmädchen, als diese als Regimegegner verhaftet werden. Auch die schwangere Marinette kommt in Haft, ihre Tochter Christiane wird ihr nach der Geburt im Krankenhaus weggenommen. „Ich kann nicht mehr leben ohne meine kleine Tochter, ich glaube, ich werde in diesem Haus wahnsinnig!“, schreibt Marinette an die Zellwand. Erst durch Aufrufe in den französischen Medien im Jahr 1987, können Marinette und ihre Tochter Christiane ausfindig gemacht werden.

 „Den Gefangenen wurde hier Schreckliches angetan, sie wurden von der Gestapo im Tiefkeller gefoltert, um so Geständnisse zu erzwingen. Die anderen Insassen konnten die Schreie hören“, sagt Jung.

 Den Wert der Inschriften erkennt man in den Nachkriegsjahren erst spät. Nach Kriegsende wurde das Gebäude wieder von Mietern bezogen, darunter auch die Stadt Köln, die dort unter anderem das Standesamt und die Rentenstelle einrichtet.

Als Abstellkammer genutzt

Einige Zellen werden jahrelang als Abstellkammer für Akten und Ordner genutzt, die Inschriften bleiben hinter den Regalen so unversehrt. „Für uns ist das natürlich ein riesiges Glück“, so Jung. Erst Anfang der 1980er Jahre werden die Inschriften freigelegt, restauriert und anschließend entziffert. Das Interesse an einer Aufbereitung und Aufklärung sei zuvor nicht sonderlich groß gewesen, sagt Jung und zuckt mit den Schultern. Im Jahr 1991 wird die Gedenkstätte schließlich eingeweiht, 1997 folgt die Eröffnung der Dauerausstellung „Köln im Nationalsozialismus“ in den ersten beiden Stockwerken des Hauses. „Vor 1980 hätte man das Gebäude abreißen, Wände einreißen oder überstreichen können. Das ist wegen des Denkmalsschutzes seitdem glücklicherweise nicht mehr möglich.“

 Während andere Museen mit multimedialen Beiträgen, wie Soundeffekten, versuchen Geschichte erlebbar zu machen, sieht Werner Jung von solchen technischen Spielereien ab. „Hier ist es nicht im Entferntesten notwendig, durch künstliche Effekte eine bedrückende Stimmung zu erzeugen“, sagt er. „Der Ort wirkt für sich.“

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