Chronologie So kämpften die Einsatzkräfte an der Steinbachtalsperre gegen das Wasser

Euskirchen · Wie die Situation an der Steinbachtalsperre in Euskirchen eskalierte und wie die Einsatzkräfte sie dank massiven Technikeinsatzes wieder entspannen konnten: Eine Chronologie der wichtigsten Geschehnisse vor Ort.

 Der Pegel der Steinbachtalsperre sinkt: Gut zu erkennen ist noch immer der einstige Höchststand an den dunklen Rändern der Beckenwand.

Der Pegel der Steinbachtalsperre sinkt: Gut zu erkennen ist noch immer der einstige Höchststand an den dunklen Rändern der Beckenwand.

Foto: Stephan Stegmann

Mit unermüdlichem Einsatz kämpfen die Einsatzkräfte von THW und Feuerwehr seit fünf Tagen gegen die physikalischen Kräfte an der Steinbachtalsperre in Euskirchen an. Mit technischen Hilfsmitteln und Hightech versuchen sie seit Mittwoch fieberhaft, einen drohenden Bruch der bröckelnden Dammkrone abzuwenden.

Bis Sonntagabend hatte sich die bislang kritische Lage an der Steinbachtalsperre merklich entspannt. „Wir haben über Nacht den Pegel innerhalb des Damms erheblich senken können. Wir haben eine Marke erreicht, bei der wir sagen können: Der Damm ist zu halten“, sagt Daniel Schwarz, Sprecher der Feuerwehr Euskirchen.

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Foto: Matthias Kehrein

Von endgültiger Entwarnung ist bei den Verantwortlichen jedoch nicht die Rede. Am Montag will die Bezirksregierung präzisieren, unter welchen Umständen die Evakuierten in ihre Häuser zurückkehren können. Eine Chronologie:

Steinbachtalsperre in Euskirchen: Starkregen ließ Wasser über Dammkrone treten

Infolge des Starkregens stieg der Wasserpegel an der Staumauer der Steinbachtalsperre am vergangenen Mittwoch bedrohlich an. Schwallartig ergoss sich das Wasser über die Dammkrone, riss bis zu zwei Meter tiefe Krater in den vorgelagerten Hang. Zudem sorgten blockierte Haupt- und Nebenabläufe für versteinerte Mienen bei den Verantwortlichen vor Ort. „Die Situation ist kritisch“, sagt Schwarz. „Experten von der Talsperrenaufsicht beurteilen die Lage ständig und stehen im permanenten Austausch mit dem Krisenstab“, sagt der Euskirchener Landrat Markus Ramers.

 Weil der Pegel im Becken sank, mussten die Pumpensysteme von Einsatzkräften neu in Stellung gebracht werden.

Weil der Pegel im Becken sank, mussten die Pumpensysteme von Einsatzkräften neu in Stellung gebracht werden.

Foto: Stephan Stegmann

 Mit Spezialpumpen, eilig angeliefert von Feuerwehren und THW-Verbänden aus dem gesamten Bundesgebiet, rückten die Einsatzkräfte den Wassermassen im Herzen des Auffangbeckens zu Leibe. Wie Bypässe pumpten die dröhnenden Kolosse seit vergangenen Donnerstag Liter um Liter aus dem Inneren – einige vom Typ „Hannibal“ bis zu 5000 Liter, die größten Aggregate gar bis zu 15 000 Liter pro Minute. „Wir pumpen, was das Zeug hält“, sagte Feuerwehr-Sprecher Schwarz. Zunächst aber ohne sichtbaren Erfolg.

Steinbachtalsperre in Euskirchen: Teile von Rheinbach und Swisttal evakuiert

Angesichts der Bedrohungslage erfolgte darum die Evakuierung ganzer Ortsteile und Gemeinden, darunter Teile Rheinbachs und Swisttals. Tausende wurden in provisorischen Notunterkünften untergebracht.

 In der Nacht auf Freitag war so viel Wasser in die Talsperre nachgeflossen, dass der Pegel trotz röhrender Pumparbeiten genauso hoch war wie tags zuvor. „Größtenteils ein Nullsummenspiel“, konstatierte THW-Leiter Lohmeyer. Was notgedrungen mehr Hochleistungspumpen erforderlich machte.

Am Freitagabend dann ein Teilerfolg: Ein Bagger schaufelte während eines riskanten Manövers den Grundablass der Talsperre frei – ein kleiner Durchbruch für die Rettungsmission. „Fortan fließen minütlich bis zu 450 000 Liter Wasser aus dem Becken ab“, sagte Lohmeyer.

 Am vergangenen Samstag hatte sich der Wasserstand des Beckens infolge des rastlosen Dauereinsatzes der Experten vor Ort um gut einen Meter verringert. Am Beckenrand war der vorherige Höchststand noch an einem feuchten Rand auf dem Betonkranz zu erkennen.

Steinbachtalsperre in Euskirchen: Noch keine Entwarnung

„Für eine Entwarnung ist es dennoch viel zu früh. Wir arbeiten konzentriert weiter“, sagte Lohmeyer, der sich an diesem Samstag nebenbei wieder und wieder mit Falschmeldungen über einen angeblichen Dammbruch konfrontiert sah. „Das erschwert unsere Arbeit ungemein. Fest steht: Der Damm hält bisher. Auch Berichte über zusätzliche Evakuierungen in der Region können wir nicht bestätigen“, sagten Lohmeyer und Schwarz einhellig. Die Verunsicherung in der Bevölkerung stieg dennoch.

 Das THW vermisst die Bewegungen der Staumauer von der Dammkrone bis zum Auslauf seit dem Wochenende mit Lasertechnik.

Das THW vermisst die Bewegungen der Staumauer von der Dammkrone bis zum Auslauf seit dem Wochenende mit Lasertechnik.

Foto: Stephan Stegmann

 Der Beckenrand und die Staumauer werden in Echtzeit mit modernster Vermessungstechnik überwacht. „Wir nutzen Tachymeter. Ein Lasermesssystem, das dreidimensionale Entfernungsdaten erfasst und Aussagen über die Bewegungen der Staumauer erlaubt“, erklärte THW-Experte Marcel Patsch aus Remscheid, der die Daten gemeinsam mit seinem Team rund um die Uhr in einem Überwachungswagen auswertet. Am frühen Sonntagvormittag brachten die Einsatzkräfte zwei zusätzliche Großpumpen in Stellung. „Wir wollen so die Ablaufmenge von 500 000 Litern Wasser pro Minute sicherstellen“, sagte Lohmeyer. Umso schneller könnten die Wassermassen und gleichwohl der immense Druck auf die Staumauer reduziert werden.

Steinbachtalsperre in Euskirchen: Zwei Drittel des Volumens sollen abgelassen werden

„Es geht darum, eine Marke zu erreichen, bei der die Leute wieder zurück in ihre Häuser können“, ergänzt Schwarz. Experten zufolge sollen dazu rund zwei Drittel des Talsperrenvolumens von 1 055 430 Kubikmetern Wasser abgelassen sein.

Nach einer Konsultation von Bautechnikern will die Bezirksregierung am Montagmorgen, 8 Uhr, die Bedingungen für dieses Szenario vor Ort festzurren.  Noch am Sonntagabend kamen Soldaten der Bundeswehr auf das schlammig aufgewühlte Einsatzgelände am Staudamm. Ihr Auftrag: die Befestigung der Wege vor Ort. Schwarz: „Feste Wege werden uns die Arbeit in den nächsten Tagen enorm erleichtern.“

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