Flughafen Köln/Bonn Unterwegs mit zwei Verkehrsleitern vom Dienst

KÖLN/BONN · Ferat Kar löst die Bremse und gibt Gas, als der Tower die Interkontinentalbahn für ihn freigibt. Doch selbst die mit 3815 Metern längste der drei Start- und Landebahnen des Flughafens Köln/Bonn in der Wahner Heide würde nicht ausreichen, um sein Gefährt zum sicheren Abheben zu bewegen. Denn der weiße VW Tiguan mit dem Blaulicht auf dem Dach ist nun mal für festen Boden unter den Reifen gedacht.

 Auf Kontrollfahrt: Ferat Kar (links) und Oguz Ipek.

Auf Kontrollfahrt: Ferat Kar (links) und Oguz Ipek.

Foto: Holger Arndt

Während Großraumflugzeuge auf bis zu 350 Stundenkilometer beschleunigen, bevor sich ihre Räder vom Boden lösen, hat Ferat Kar gar nicht den Ehrgeiz, die Beschleunigungswerte des Tiguan auszutesten. Eher im Schneckentempo steuert der 38-Jährige den Wagen über die Distanz, denn nur so kann er seiner Aufgabe gerecht werden: Ferat Kar ist einer von insgesamt sieben Verkehrsleitern vom Dienst, die im Schichtdienst rund um die Uhr und an sieben Tagen die Woche unter anderem für die Betriebssicherheit der Start- und Landebahnen verantwortlich sind.

"Seit der Concorde-Katastrophe vor 13 Jahren in Frankreich sind die Flughäfen in aller Welt noch mehr sensibilisiert", erzählt Ferat Kars 44-jähriger Kollege Opuz Ipek. Damals hatte ein winziges Metallstück, das eine zuvor gestartete DC-10 verloren hatte, einen Reifen der Concorde platzen lassen und zu einer verheerenden Kettenreaktion geführt.

Flugschein-Inhaber Opuz Ipek, seit 1999 am Flughafen beschäftigt, seit 2007 einer der sieben Verkehrsleiter vom Dienst, sitzt heute ausnahmsweise auf dem Rücksitz, während sein Kollege Ferat Kar den Wagen steuert und Ausschau hält. Gewöhnlich sind sie nicht zu zweit, sondern alleine auf Kontrollfahrt unterwegs; anders wäre der Dreischichtbetrieb mit sieben Kollegen auch nicht zu gewährleisten. Der Besuch aus der Siegburger Redaktion des General-Anzeigers sorgt für die Ausnahme von der Regel: Ipek beantwortet alle Fragen zur Arbeit, damit sich Kar währenddessen voll auf den Job konzentrieren kann.

"Alle sechs Stunden rund um die Uhr machen wir die Tour über die Landebahnen und das gesamte Vorfeld", erzählt Ipek. Die möglichen Gefahren für startende und landende Maschinen sind vielfältig: Blitzeis, tote Wildtiere, Vogelschlag, Unebenheiten durch Frostschäden im Bodenbelag, winzige Flugzeugteile. "Das sind meistens Teile wie Sicherungsstifte, die sich tatsächlich lösen lassen sollen - nur nicht eben auf den Start- und Landebahnen", sagt Ipek. Nachts kommt die Kontrolle der Bahnbeleuchtung hinzu.

Nach der Interkontinentalbahn kommen die Parallelbahn (1866 Meter) und die Querwindbahn (2459 Meter) an die Reihe, sobald der Tower per Funk die Kontrollfahrten freigibt. Natürlich müssen Verkehrsleiter vom Dienst im Rahmen ihrer Ausbildung auch die entsprechenden Funklizenzen erwerben. Denn der VW Tiguan wird vom Tower nicht anders behandelt als ein Airbus. Und das Innere des Spezialfahrzeugs erinnert mit seinen zahlreichen zusätzlichen Armaturen und Instrumenten unterhalb der Windschutzscheibe tatsächlich fast schon an ein Flugzeug-Cockpit.

Auch für das Vorfeld rund um die beiden Passagierterminals und den Frachtbereich sind Ipek und Kar zuständig - und für die Einhaltung der Vorschriften unter den zahllosen Bodenfahrzeugen. Denn am Boden geht es rund um die parkenden Flugzeuge, die in Windeseile wieder klar zum Start sein müssen, weitaus quirliger zu als in der Luft. "Wir haben auf unserem rund 1000 Hektar großen Gelände unsere eigene, spezielle Straßenverkehrsordnung", sagt Ipek.

Etwa 45 Minuten dauert die heutige Kontrollfahrt. Anschließend geht's die enge Wendeltreppe hinauf in den "Kaffeefilter", wie die Mitarbeiter den Ausguck der Verkehrszentrale hoch über dem Terminal 1 nennen. Der "Kaffeefilter", der mit den stark geneigten Panoramafenstern in Form einer auf den Kopf gestellten Pyramide tatsächlich an das bekannte Küchenutensil erinnert, sieht zwar aus wie ein Tower, ist aber keiner.

Der Tower für die Lotsen der Deutschen Flugsicherung steht weit draußen, während die Besatzung der Verkehrszentrale hoch über dem Terminal 1 für die Logistik am Boden zuständig ist: welche Passagiermaschine an welchem Gate parken darf, wer bei Verspätungen zu welcher Parkposition ausweichen muss und wo der soeben gelandete FedEx-Frachter Boeing 777 Triple X aus Memphis/Tennessee entladen wird, das alles wird im "Kaffeefilter" entschieden.

Die Stunde ist um. "Zum Glück war's eine ruhige Stunde", versichert Ferat Kar. "Manchmal findet man nicht mal Zeit für eine Tasse Kaffee", bestätigt Oguz Ipek. "Es gibt Zeiten, da geht der Handy-Akku in einer einzigen Schicht leer."

Kaum hat er's gesagt, klingelt auch schon Kars Handy. "Vogelschlag auf der Querwindbahn." Kurzes Händeschütteln zum Abschied, und schon hastet der Verkehrsleiter vom Dienst zu seinem Einsatzwagen.

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