Rheinische Redensarten Wat ess dat dann für’n Kaschemm

Rheinland · Der GA stellt schöne und gedankentiefe Redewendungen vor. Diesmal: „Wat ess dat dann für’n Kaschemm“

Was ist das denn für eine Bruchbude?

Was ist das denn für eine Bruchbude?

Foto: GA-Grafik

Wir müssen uns hier einmal mit einem ganz traurigen Kapitel der rheinischen Kultur beschäftigen. Und zwar mit dem Kneipensterben. Denn seit Jahren hören wir, dass es der Stammkneipe im Dorf und der Eckkneipe im Stadtviertel immer schlechter geht. Woran liegt das? Hinter vorgehaltener Hand hört man: Die Frauen lassen ihre Männer abends nicht mehr in die Kneipe. Die Befürchtung, dass sie dort, wenn schon nicht Haus und Hof, so doch ihren Monatslohn verkonsumieren, dürfte nicht ganz von der Hand zu weisen sein.

Klar, das gilt natürlich lange nicht für jeden, eher für eine kleine Minderheit, aber sicher ist sicher. Und heute hat man sich ja auch um vieles zu kümmern als treusorgender Familienvater. Haben die Kinderchen die Hausaufgaben gemacht, ist alles schön und wohlgeordnet, oder muss der Vater nochmal nachjustieren? Und ist das getan, dann warten ja immer noch Tagesschau und Tatort, oder Rosamunde Pilcher.

Wenn man dann doch mal auf ein Kölsch zur Theke findet, kann man regelmäßig die rheinische Redewendung vernehmen: „Wat ess dat dann für’n Kaschemm?“ Wer nicht ohnehin weiß, was eine Kaschemm ist, der muss es sich herleiten. Da kann zum Beispiel das schöne Lied der Höhner vom durstigen Sultan helfen. Denn wo er auch immer seinen Durst zu stillen gedenkt, reicht ihm das Getränkeangebot nicht aus. Und dann ruft er unvermittelt: „Jonn mer in en andere Kaschemm“. Es spricht also einiges dafür, dass damit ein Etablissement gemeint sein könnte, das eine gewisse Auswahl an alkoholischen Kaltgetränken bereithält. In eine ähnliche Richtung geht der Text des Kölner Kultdichters Gerd Köster, der schrieb: „Jede Kaschemm, in die ich gefallen bin, war genau wie die davor.“ Passt genau in den Enttäuschungshorizont des einsamen Großstädters.

Um es zu präzisieren: Kaschemm oder Kaschemme ist eine schlecht beleumundete Kneipe, eine heruntergekommene Bruchbude. Man kann sich das gut vorstellen: In den Gardinen hängt der kalte Rauch von Jahrzehnten, die Fenster sind blind, weil sie selten bis nie einen Putzlappen gesehen haben, das Licht ist gedimmt, und an der Theke knubbeln sich abweisend dreinblickende Typen. Da weiß man nicht so genau, ob man da wirklich hin will. Und weil das so ist, geht es bergab mit der Eckkneipe, nicht erst seit der Einführung des allgemeinen Rauchverbotes in Restaurants und Bars.

Aber woher kommt das Wort Kaschemme, hat es doch so gar nichts gemein mit dem Wortstamm Kneipe. Der Sprachforscher Peter Honnen hat dokumentiert, dass sich der Begriff ganz sicher aus der früher sogenannten Zigeunersprache entwickelt hat. Ebenso wie Bock und Zaster. Demnach ist Kaschemme im 19. Jahrhundert über das Rotwelsche (die Räubersprache) aus dem Slawischen übernommen worden. Dort heißt Kneipe oder Wirtshaus: kacima oder kircima. Die nichtsesshaften Roma haben es also in Europa in Umlauf gebracht. Eine Kaschemm gibt es also schon länger, und nicht erst seit dem Rauchverbot.

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