Rheinische Redensarten Wat mer hatt, dat hät mer

Rheinland · Wir stellen bedeutungstiefe und schöne rheinische Redewendungen vor. Dieses Mal geht es um: „Wat mer hatt, dat hät mer.“

 Was man hat, das hat man.

Was man hat, das hat man.

Foto: GA-Grafik

Zuweilen beschleicht einen das Gefühl, der Rheinländer habe auch eine einfältige Seite. Dieser Verdacht kommt immer dann auf, wenn sich der Dialekt in einer sehr einfachen Sprache zeigt. Ich greife hier kurz vor und kläre auf: Das ist eine völlige Fehleinschätzung. Und das zeigt sich auch an der rheinischen Redensart: „Wat mer hatt, dat hät mer.“ Schon klanglich ist zu merken, hier handelt es sich in irgendeiner Weise um eine Wiederholung.

Ja, der Linguist würde wahrscheinlich von einer Tautologie sprechen. Also etwas, das sich selbst bestätigt und somit eigentlich keinen Inhalt hat. Das alles trifft allerdings hier intensional nicht zu. Auch wenn die hochdeutsche Übersetzung schlicht heißt: Was man hat, das hat man! Klingt logisch, möchte man sagen. Es regt sich kein Widerspruch. Um die eigentliche Intention zu verstehen, müssen wir uns also auf die Metaebene begeben und die höhere Bedeutung erforschen.

Da sind wir sofort ganz nah bei der Thematik Hamsterkäufe, die uns ja in Zeiten von Corona beschäftigt haben. Denn der Rheinländer sorgt gerne zuerst – und das kann man ihm sicher nicht übel nehmen – für seine Familie, sein Heim und seinen Hof. Die erste Sorge gilt der Fürsorge seiner Nächststehenden. Frau und Kinder sollen es gut haben. Falls vorhanden auch das Vieh im Stall. Das heißt konkret: Die Versorgung mit allem Notwendigen, wie Nahrungsmitteln, Kleidung und Wohlfühlaccessoires muss stimmen.

Unter diesem Aspekt müsste die Übersetzung des Satzes einen anderen Akzent erhalten. Stimmiger wäre etwa: Was man sein Eigen nennt, das kann einem so schnell niemand nehmen. Und dessen kann man sich sicher sein. Das kann man sicher einplanen. Und so ist es kein Wunder, dass der Rheinländer mit großem Engagement eine stimmige Vorratshaltung betreibt. Denn was man in der Zeit hortet, das kann man in der Not nutzen. Wohlgemerkt, das ist kein Egoismus, wie er verpönt ist. Das ist reiner Pragmatismus. Getreu dem Motto: Wenn jeder an sich denkt, dann ist an alle gedacht. Dieser Gedanke könnte hiesigen Ursprungs sein. Es ist die Vorstellung von rheinischer Solidarität.

Der General-Anzeiger hat die Kolumnen unter dem Titel „Rheinisch für Fortgeschrittene“ veröffentlicht. Hören Sie auch unseren Podcast „So geht Rheinisch“, abrufbar auf allen Medienplattformen und unter www.ga.de/podcast. Haben Sie auch eine rheinische Lieblingsredensart? Dann schreiben Sie uns unter rheinisch@ga.de

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