Gefahr auch für Bonn Wie der Kalikokrebs die Tierwelt im Rhein bedroht

Bonn · Er stammt aus Nordamerika und verbreitet sich rasend schnell: Der Kalikokrebs ist eine Gefahr für die Tierwelt im Rhein. Seen verwandelt er in Schlammpfützen. Auch in Bonn könnte er bald sein Unwesen treiben.

Fressen, fressen und vermehren: Darin besteht für den aus Nordamerika eingeschleppten Kalikokrebs (Orconectes immunis) der Sinn des Lebens. Für die Vegetation und die Tierwelt im Rhein ist das eine verhängnisvolle Nachricht. Der gefräßige Krebs bedroht Amphibien und Insekten, etwa Libellen, massiv. Er nimmt ihnen den Lebensraum und könnte einige Arten sogar komplett verdrängen.

Der nach Deutschland eingeschleppte Kalikokrebs hat sich rasch ausgebreitet. Er wurde vermutlich 1993 in der Nähe von Baden-Baden ausgesetzt und ist nach Expertenangaben inzwischen in den Gewässern entlang des gesamten Oberrheins zu finden. Doch dabei wird es sehr wahrscheinlich nicht bleiben. Auch in Bonn droht eine Invasion.

Es verdichten sich nämlich die Anzeichen, dass der Kalikokrebs bereits seinen Weg an den Mittelrhein gefunden hat. Harald Groß, Leiter des seit 2013 laufenden Edelkrebsprojektes NRW, kontrolliert mithilfe von Ehrenamtlichen und Anglern den Fluss: "Wir haben bislang kein lebendes Exemplar gesichtet. Allerdings haben wir eine Kalikokrebs-Schere am Rheinufer in Düsseldorf gefunden", erklärt er auf GA-Anfrage. Es sei äußerst unwahrscheinlich, dass sie von Rheinland-Pfalz bis hierher gespült wurde. Für Groß ist der Fund alarmierend: "Wir gehen davon aus, dass es am Mittelrhein bereits einzelne Tiere oder sogar einen kleinen Bestand gibt." Und selbst, wenn dem nicht so sei: "Der Kaliko kommt auf jeden Fall."

Der nordamerikanische Kalikokrebs verbreitet sich auch deshalb so explosionsartig, weil er sich in extrem kurzen Zyklen und riesiger Zahl vermehren kann. "Ein Krebs, der Anfang des Jahres aus dem Ei schlüpft, ist schon im August des gleichen Jahres geschlechtsreif und kann Hunderte von Eiern tragen", sagt Andreas Stephan, der an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe ein Forschungsprojekt zum Flusskrebs betreut. Der Forscher schätzt, dass die Zahl der Kalikokrebse sich inzwischen "im Millionenbereich" befindet.

Ein weiteres Glück für den Krebs, aber Unglück für die Artenvielfalt: Das Tier wandert im gewissen Maße auch über Land. "Der Krebs hat den Rhein längst in Richtung Auen verlassen, wo er sich vermehrt", erklärt Georg Becker vom Institut für Zoologie an der Universität Köln auf GA-Anfrage. "Er frisst dort die gesamte Vegetation und verwandelt Seen in Schlammpfützen." Dieses Schicksal könnte bald auch Bonn und Köln drohen. "Der Rhein ist eine perfekte Wasserstraße - vor allem flussabwärts."

Ihn zu stoppen, wird kaum möglich sein. "Im Gegensatz zu Fischen sind Krebse Allesfresser. Sie vermehren sich auch viel schneller als Fische und sind schwieriger einzudämmen, weil sie graben können und Zäune sie nicht aufhalten", sagt NRW-Projektleiter Groß. Becker von der Universität Köln zieht daraus ein drastisches Fazit: "Wir sind ihm quasi ausgeliefert."

(mit Material von dpa)

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