Rheinische Alltagskultur und Sprache “Wir machen das, um uns zu verstehen“

Rheinland · Um alles, was Rheinisch ist, kümmert sich die neue Abteilungschefin für Alltagskultur und Sprache, Lisa Maubach, beim Landschaftsverband Rheinland. Ihr Auftrag: Die Zukunft.

 Die neue Leiterin der LVR-Abteilung für Alltagskultur und Sprache, Lisa Maubach, mit Dokumenten aus dem Archiv.

Die neue Leiterin der LVR-Abteilung für Alltagskultur und Sprache, Lisa Maubach, mit Dokumenten aus dem Archiv.

Foto: Jörg Manhold

Lisa Maubach ist die Neue. Die Leiterin der Abteilung für Alltagskultur und Sprache beim Landschaftsverband Rheinland in Bonn hat Vorgänger Georg Cornelissen beerbt. Zumindest beruflich. Die promovierte Kulturwissenschaftlerin startete im November in der Endenicher Straße 133. Ihr Auftrag: Quellen vernetzen und Wissen verbreiten.

Denn auch in den wissenschaftlichen Abteilungen des LVR ist die Digitalisierung das aktuelle Querschnittsthema. Erst vor zwei Jahren sind die Abteilungen Alltagskultur und Sprache fusioniert. Nicht willkürlich, sondern weil sie irgendwie schon immer zusammengehörten. Sprache prägt den Alltag, und der Alltag prägt die Sprache. Da hilft es weiter, beides gemeinsam zu erforschen.

Goldschmiedin und Volkskundlerin

Apropos prägen: Maubach hat in ihrem ersten Leben Goldschmiedin gelernt und nach ihrem Studium der Kulturgeschichte (Volkskunde) in Münster und Jena über die Numismatik, also Münzkunde, in der DDR promoviert. Auch wenn ihr Spezialgebiet heute die immaterielle Alltagskultur ist, hat sie sich parallel schon immer mit Handfestem beschäftigt. Viele Berufsjahre verbrachte sie in Museen. Nach dem Volontariat im Bonner Haus der Geschichte arbeitete sie im Freilichtmuseum Hagen.

Forschen, Auswählen, Vermitteln und Wissenstransfer sind ihr Metier. Da finden Materielles und Immaterielles auf erhellende Weise zusammen. Diesen Ansatz verfolgt sie nun auch in ihrer neuen Position. „Mit einem neuen und vernetzten Blick auf Sprache und Alltag blicken“, will Maubach. Und das den Menschen ohne hohe Hürden zur Verfügung stellen.

Dat Portal hilft Sprachinteressierten

Eine Formel dafür sind die beiden noch jungen Internetplattformen „Dat Portal“ für die rheinische Sprache und das der „Alltagskulturen im Rheinland“. Frage an die Kulturwissenschaftlerin: Warum erforschen wir unseren Alltag? „Wir machen das, um uns zu verstehen!“, sagt Maubach. Es gehe um Orientierung in Zeiten teilweise krisenhaften Wandels und Globalisierung. „Das Wissen um Rituale erdet die Menschen“, sagt sie. In diesem Sinne wird fündig, wer im Netz auf rheinische-landeskunde.lvr.de klickt.

Aktuelle Projekte wie die Darstellung der Trinkhalle im allgemeinen und des Bundesbüdchens in Bonn im speziellen finden ihre Einordnung. Ein weiterer Forschungsgegenstand ist die Auswirkung der Jahrhundertflut von 2021 am Beispiel der Ortschaft Schweinheim im Kreis Euskirchen. Wie gehen die Betroffenen mit der Ausnahmesituation um? Was hilft ihnen? Welche kulturellen Gewohnheiten geben Sicherheit in der Ungewissheit?

Corona und die Sprache

Oder: Wie hat die Corona-Pandemie auf die Alltagssprache gewirkt. Neue Begriffe haben sich herauskristallisiert, zum Beispiel für die Mund-Nasen-Maske. Das alles sammeln und subsummieren die 18 Wissenschaftler um Maubach für die Zeitgenossenschaft und vielleicht die Nachfahren. Zielgruppe sind in erster Linie die interessierten Laien.

Dabei sind die Forscher immer auf die Mithilfe der Menschen angewiesen. Denn nur durch fundierte Umfragen lassen sich Daten und Hinweise sammeln, die später das Wissensmosaik vervollständigen. Beim Sprachportal sind die Sprachkarten der Renner. Das Steckenpferd des vorangegangenen Abteilungschefs, Georg Cornelissen, zeigt die örtliche Verteilung bestimmter Begriffe im Rheinland.

Von Hausaufgaben und Schularbeiten

So ist das Wort „Hausaufgaben“ für die ungeliebte außerschulische Arbeit des Schülers mehrheitsfähig. Im mittleren Rheinland zwischen Heinsberg und Radevormwald sagt man alternativ auch „Hausarbeiten“, in Moers „Schularbeiten“. In Bonn steht dafür einfach der Begriff „Aufgaben“. So breit gefächert ist die Sprachlandschaft.

Auch moderner Themen nehmen sich die Sprach- und Alltagswissenschaftler an. Zum Beispiel Junggesellenabschiede: Wie werden sie zelebriert? Was sind die ungeschriebenen Gesetze? Oder, einen Schritt weiter im Lebenskreis: Wie werden Babypartys gefeiert, wenn sich Nachwuchs einstellt? Gibt es Regeln und Vorgaben? Alles aktuell abrufbar in den LVR-Portalen und auf der Homepage.

Digitales und Analoges

Neben den digitalen Kanälen beherbergt die Abteilung aber nach wie vor auch Analoges. Die Sammlung Jüssen etwa besteht aus Fotos und Dokumenten aus der Ortschaft Erp. Über 100 Jahre Dorfgeschichte bilden sich auf gut 2000 Bildern beispielhaft ab. Maubach sieht die Sammlung als Schatz, der unmittelbare Zeitgeschichte dokumentiert. Sie macht keinen Hehl aus ihrer Begeisterung für ihren Forscherinnenberuf und sagt: „Gemeinschaft, Erinnerung, Erleben – Alltag ist alles!“

Vereine, die sich um die Pflege des Dialektes kümmern, können ihre Kontaktdaten auf „Dat Portal“ hinterlegen. Ein erster Schritt zur Vernetzung untereinander.

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