Zeitungsbericht über Kölner Erzbischof Woelki soll Missbrauchsfall nicht nach Rom gemeldet haben

Köln · Wie ging das Erzbistum Köln mit Missbrauchsvorwürfen gegen Priester um? Spätestens seit einem zunächst nicht veröffentlichten Gutachten ist diese Frage zum großen Thema geworden. Nun gibt es Versäumnisvorwürfe gegen Kardinal Woelki selbst.

 Der Kölner Kardinal Rainer Woelki.

Der Kölner Kardinal Rainer Woelki.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat im Jahr 2015 Missbrauchsvorwürfe gegen einen Pfarrer aus seinem Zuständigkeitsbereich nicht dem Vatikan in Rom gemeldet. Das Erzbistum bestätigte am Donnerstag einen entsprechenden Bericht des „Kölner Stadt-Anzeigers“. Zugleich verwies es auf den damaligen Gesundheitszustand des mittlerweile verstorbenen Geistlichen, der eine sogenannte kanonische Voruntersuchung verhindert habe.

Nach Recherchen der Zeitung handelt es sich bei den Vorwürfen um eine Tat aus den späten 1970ern. Das Opfer, damals ein Junge im Kindergartenalter, habe den Missbrauch im Jahr 2010 beim Bistum angezeigt. Woelki selbst wurde 2014 Erzbischof von Köln. Nach Sichtung von Personalunterlagen habe er dann 2015 entschieden, dass den Vorwürfen gegen den 1929 geborenen Pfarrer Johannes O. nicht weiter nachgegangen, keine kirchenrechtliche Voruntersuchung eingeleitet und der Fall auch nicht dem Apostolischen Stuhl in Rom gemeldet werde.

Das Erzbistum bestätigte den Vorgang. Es teilte allerdings mit, dass der Pfarrer „nicht vernehmungsfähig“ gewesen sei. „Ein zweiter Schlaganfall und eine fortgeschrittene Demenz machten eine Konfrontation zur Aufklärung des Falles unmöglich. Das verhinderte auch eine kanonische Voruntersuchung, da der potenzielle Betroffene ausdrücklich nicht an der Aufklärung des Sachverhalts mitwirken wollte, sich nicht einmal eine Konfrontation von Pfarrer O. wünschte und auch andere Möglichkeiten zur Aufklärung, beispielsweise Zeugen, nicht vorhanden waren“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme des Erzbistums. Mittlerweile sei der Pfarrer tot.

Zu dem Vorgang sagte der Kirchenrechtler Bernhard Anuth dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, das Kirchenrecht biete keinen solchen Ermessensspielraum. „Zur Durchführung einer kanonischen Voruntersuchung war Woelki kirchenrechtlich ebenso verpflichtet wie zur Weiterleitung der Ergebnisse nach Rom, und sei dieses auch ergebnislos oder die Faktenlage noch so fragmentarisch.“

Das Erzbistum bestätigte auch, dass Woelki von den Vorwürfen schon 2011 erfahren hatte, als er selbst noch Weihbischof war. Kölner Erzbischof war damals Joachim Kardinal Meisner (1933-2017).

Die Aufarbeitung des Umgangs des Erzbistums Köln mit Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch Priester ist seit geraumer Zeit ein großes Thema. Woelki hatte dazu ursprünglich ein Gutachten bei einer Münchner Kanzlei in Auftrag gegeben. Nachdem die Kanzlei das Gutachten fertiggestellt hatte, beschloss er aber, es doch nicht zu veröffentlichen. Dafür führte er rechtliche Bedenken an. Stattdessen beauftragte Woelki einen Kölner Strafrechtler mit einem neuen Gutachten. Es soll im März fertig werden. Das zurückgehaltene Gutachten soll danach „für interessierte Einzelpersonen, insbesondere Betroffene oder Journalisten“ zugänglich gemacht werden.

Nach den Vorwürfen gegen ihn selbst im Zusammenhang mit dem Pfarrer erklärte Woelki am Donnerstag: „Der Auftrag der unabhängigen Untersuchung ist klar: Ohne Ansehen von Person und Amt werden alle Vorgänge im Umgang mit sexualisierter Gewalt der vergangenen Jahrzehnte aufgeklärt.“ Die Untersuchung lasse niemanden aus - „auch mich nicht“.

Der Kirchenrechtler Thomas Schüller sagte der „Rheinischen Post“, Woelki werde „nach Aktenlage, so oder so, auf jeden Fall zurücktreten müssen“. Damit würde er dem Erzbistum einen Gefallen tun. „Und er würde sich sehr peinliche Befragungen ersparen, die kirchenrechtlich zwangsläufig jetzt erfolgen.“

(dpa)
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