Weiterhin akute Dammbruchgefahr Keine Entwarnung an der Steinbachtalsperre - weitere Evakuierungen geplant

Euskirchen · Die Einsatzkräfte pumpen mit Hochdruck Wasser aus der Steinbachtalsperre. Nach Angabe der Bezirksregierung Köln besteht akute Dammbruchgefahr. Vorsorglich sind weitere Evakuierungen geplant. Die DLRG ist in Rheinbach vor Ort, falls der Damm bricht.

 Am Freitagmorgen ist der hohe Pegelstand der Steinbachtalsperre vom Damm aus gut sichtbar.

Am Freitagmorgen ist der hohe Pegelstand der Steinbachtalsperre vom Damm aus gut sichtbar.

Foto: Christian Lorenz

Nach Angabe der Bezirksregierung Köln droht weiterhin akute Überflutungsgefahr unterhalb der Steinbachtalsperre durch Versagen des Absperrdammes. Große Teile des Dammes sind durch Überströmung weggebrochen. Parallel lastet durch den hohen Wasserstand ein enorm hoher Druck auf dem Damm. Der Damm ist dadurch äußerst instabil und droht zu brechen.

Inzwischen konnte der Grundablass freigelegt werden. Zusätzlich unterstützt man mit maximaler Pumpenkapazität das Abpumpen des Wassers. Eine Entwarnung kann nach Experteneinschätzung allerdings erst bei einer zweidrittel Entleerung gegeben werden. Dies könnte nach vorsichtiger Schätzung morgen Nachmittag gegen 15 Uhr erreicht sein. Bis dahin besteht daher weiterhin akute Dammbruchgefahr. Vorsorglich sind weitere Evakuierungen im Bereich der Steinbachtalsperre geplant. In Rheinbach sind Kräfte der DLRG aus Niedersachen in Bereitschaft, falls der Damm bricht.

Bereits am Freitag schauten Verantwortliche und Bürger im Kreis Euskirchen und Rhein-Sieg-Kreis mit Sorgenfalten auf die Steinbachtalsperre. Betreten durfte die Staumauer außer den Mitarbeitern niemand. Zu hoch war die Gefahr eines Dammbruchs. Der hohe Wasserstand sorgte nach wie vor für starken Druck auf den Damm.

Am Morgen machten sich zwei Experten der Talsperrenaufsicht der Bezirksregierung Köln ein Bild von der Lage. „Man kann sagen, der Damm ist aktuell stabil, aber die Lage ist nach wie vor nicht unkritisch“, fasste Euskirchens Landrat Markus Ramers ihre Ergebnisse am Mittag zusammen. Eine Einschätzung, die sich bis zum Abend nicht mehr ändern sollte, wie der Kreis dann auf Anfrage bestätigte.

Eine gute Nachricht twitterte kurze Zeit später die Bezirksregierung Köln: Der verstopfte Grundablass sei wieder freigelegt und könne geöffnet werden. Dadurch könnten bis zu 6000 Liter pro Sekunde abgelassen werden. „Die Lage vor Ort bleibt jedoch weiterhin angespannt“, hieß es. Das THW werde damit fortfahren, Wasser aus der Talsperre abzupumpen.

THW pumpt 70.000 Liter pro Minute ab

Damit hatten am Donnerstag die Feuerwehr begonnen. „Anfangs hatten wir damit Erfolg, den Pegelstand zu senken, aber wegen neuem Regen ab 3 Uhr und weiteren Zuläufen sorgen die Pumpen momentan nur dafür, dass der Pegelstand gleichbleibt“, sagte Landrat Ramers am Mittag.

Ziel war es, 95.000 Liter pro Minute herauszupumpen. „Das reicht aber nicht“, wusste der Landrat und hoffte auf weitere Pumpen. Diese kamen vom Technischen Hilfswerk (THW). Knapp 2100 Helferinnen und Helfer aus circa 165 Ortsverbänden des THW waren in ganz Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im Einsatz, teilte das THW mit. Fünf Verbände waren – unter anderem aus Erlangen in Bayern und aus Lingen an der Ems – zur Steinbachtalsperre gereist.

Sie hatten Schmutzwasserkreiselpumpen mitgebracht, die rund 5000 Liter pro Minute fördern können. Anders ausgedrückt: Eine Badewanne leeren sie in zwei Sekunden. Die nach ihrem Hersteller auch Hannibal genannte Pumpe wiegt zwei Tonnen und ist auf einen Anhänger montiert. Sogar eine Pumpe, die 25.000 Liter pro Minute fördern kann, brachte das THW im Laufe des Tages. Von diesen gibt es laut THW nur 14 in Deutschland. Insgesamt sorgten die fünf THW-Gruppen des Typs Wassergefahren/Pumpen dafür, dass rund 70.000 Liter pro Minute abgepumpt wurden.

Menschen bringen Verpflegung für Hilfskräfte

„Das Vordringlichste ist außerdem die weitere Überwachung der Dammkrone“, berichtete Daniel Schwarz von der Feuerwehr Euskirchen vor Ort. Die Wasserbehörde und Techniker der Talsperre überprüften stetig, ob der Damm sich bewegt. Das war am Freitag allerdings nicht der Fall.

Immer wieder kamen Menschen vorbei, um sich selbst ein Bild zu machen. Wegen der Absperrung gelangten sie aber nicht bis zur Mauer. Einige hatten Kaffee oder Verpflegung für die Einsatzkräfte dabei und bedankten sich aus tiefstem Herzen für deren unermüdliche Arbeit. Auch NRW-Innenminister Herbert Reul hatte der Feuerwehr vor Ort zufolge einen Besuch angekündigt. Das Ministerium beantwortete eine Anfrage dazu nicht.

Neben den Pumpen und dem Grundablass wurde am Freitag noch eine weitere Maßnahme angegangen, um den Pegel zu senken. Schon am Nachmittag konnte ein Überlaufablass an der Seite der Talsperre freigepumpt werden, der überschwemmt worden war, bestätigte der Kreis.

Evakuierungen in Euskirchen und Swistttal abgeschlossen

Die Evakuierung der von einem Dammbruch gefährdeten Euskirchener Orte Schweinheim, Flamersheim und Palmersheim ist Ramers zufolge am Donnerstag abgeschlossen worden. Wann die Menschen zurückkehren könnten, darauf wollte der Landrat sich nicht festlegen. „Das ist sehr schwer kalkulierbar.“ Es hänge davon ab, wie viel Wasser die Bäche noch in die Talsperre bringen, wie viel es regnet und wie sich die Maßnahmen zum Wasserablassen entwickeln.

„Ich bin selber durch die Orte gefahren. Es sieht teilweise grausam aus.“ Mut mache aber zumindest, dass der Kreis viele Hilfsangebote von Bürgern erhalten habe. Viele hätten Evakuierte bei sich aufgenommen. „Diesen Zusammenhalt brauchen wir in nächster Zeit noch.“

Von einer „Welle der Unterstützung“ berichtete auch Landrat Sebastian Schuster aus dem Rhein-Sieg-Kreis. Bürger hätten Sachspenden gebracht oder Unterkünfte angeboten. „Es ist erfreulich, dass so viele Menschen sich solidarisch mit den Betroffenen zeigen.“ Sieben Tote sind dem Kreis bisher bekannt, in Euskirchen sind es nach offiziellen Angaben 24. Für Rheinbach und Swisttal war das Unwetter laut Schuster „wahrscheinlich das größte Schadensereignis seit dem Zweiten Weltkrieg“.

Nachdem die Evakuierung in Swisttal die ganze Nacht gelaufen war, konnte sie am Morgen abgeschlossen werden. Etwa 2000 Menschen waren dem Kreis zufolge aus Ludendorf, Odendorf, Miel, Essig und Teilen von Heimerzheim weggebracht worden. Auch aus Rheinbach-Oberdrees und Niederdrees waren Menschen evakuiert worden. Am Freitag begann der Kreis, die Menschen aus den Notunterkünften komfortabler unterzubringen, etwa in Hotels und der Sportschule Hennef.

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