Tag der jüdischen Kultur Führung über jüdisches Gewerbe in Linz

LINZ · Vom Leibzoll an Kurköln: Am Tag der jüdischen Kultur in Rheinland-Pfalz hatte der Deutsch-Israelische-Freundeskreis Linz wie schon in den Vorjahren zu einer Führung eingeladen.

 Beeindruckendes Portal: Das ehemalige Textilhaus Hirsch war eines der Ziele der Führung auf jüdischen Spuren

Beeindruckendes Portal: Das ehemalige Textilhaus Hirsch war eines der Ziele der Führung auf jüdischen Spuren

Foto: Frank Homann

Dem Thema "Jüdisches Gewerbe und Gewerbetreibende in Linz am Rhein" widmete sich das Vorstandmitglied Gisela Görgens, nachdem die Vorsitzende Ellen Demuth zahlreiche an der jüdischen Geschichte Interessierte auf dem Burgplatz begrüßen konnte.

"Der Beginn der Führung hier an der Linzer Burg kommt nicht von ungefähr", so Görgens. In der Zollburg mussten die auf Handel, Geld- und Kreditgeschäft spezialisierten Juden ab 1320 einen Leibzoll zahlen, der an Kurköln abgeführt wurde. "Die Kurfürsten versprachen sich wirtschaftliche Impulse von den Juden. Sie besaßen jedoch kein dauerndes Heimatrecht, sondern mussten ein Geleit des Landesherrn erwerben", berichtete die Referentin. Dieser Schutzbrief musste immer wieder gegen die Entrichtung von Abgaben erneuert werden.

"Außerdem steht hier am Burgplatz, Ecke Rheinstraße, das ehemalige Textilhaus Hirsch, das die Brüder Hermann und Adam 1865 zunächst an der Rheinstraße 9 gründeten", sagte Görgens. 1874 siedelten sie mit ihren "Manufakturen und fertigen Kleidern, Tuchhandel und Anfertigungen nach Maß" samt den fünf Angestellten an den Burgplatz über. 1913 wurde das alte Geschäft abgerissen und es entstand der erste Eisenbetonbau in Linz der Architekten Matter & Scheler.

"Im Untergeschoss befand sich ein Speisesaal für die inzwischen 16 Bediensteten, ein ungeheurer sozialer Fortschritt", so Görgens. 1914 übernahmen Hermanns Söhne Eugen und Heribert das Geschäft, das nun "Manufakturen, Kleider- und Pelzhandlung" hieß. Die beiden waren Mitglieder in zahlreichen Linzer Vereinen. Sowohl die Enkelin des 1931 gestorbenen Eugen Hirsch, dessen Familie 1936 nach Palästina emigrierte, als auch die Enkelin von Heribert, der 1939 nach Argentinien auswanderte, haben übrigens vor zwei Jahren Linz besucht.

Im Haus "Mineralien", Rheinstraße 21-23, handelten Leopold Levy und sein Sohn Hugo mit landwirtschaftlichen Produkten sowie mit Salz, Öl und Fett. Zudem hatten Juden auch auf dem Marktplatz Geschäfte. "Salomon Wallach war mit seiner Zigarrenhandlung in mehreren Geschäftslokalen, bis seine Witwe 1873 bis '79 in die zwei Fachwerkhäuser an der Ecke zum Marktplatz zog", berichtete die Referentin. 1880 zog die Witwe mit ihren Söhnen Daniel und Bernhard als Gesellschafter an die Neustraße, die dort 1908 die Merkur-Zigarrenfabrik gründeten.

Am Buttermarkt arbeitete ab 1870 der Metzger und Schächter Wolfgang David, bei dem im Haus Nummer 4 auch die drei Söhne von Isaac Meyer arbeiteten. Heymann Simon betrieb im ehemaligen Haus Nummer 10 seines Bruders Moses Simon, der 1846 in Konkurs gegangen war, von 1847 an eine Kalkbrennerei.

Dann stieg er in den Handel mit Getreide und Düngemittel ein. 1863 baute er an der Kanzlerstraße einen dreistöckigen Fruchtspeicher, 1875 entstand ein neues Wohnhaus und Getreidemagazin an der Asbacher Straße. "Die Söhne Moritz und Louis Simon ließen das Stammhaus vor 1896 abreißen, den Neubau hier am Buttermarkt verkauften sie vor 1925, bevor ihre Firma wegen der Weltwirtschaftskrise in Konkurs ging", so Goergens, bevor sie sich etwa der Metzgerei von Isaac Meyer am "Totenborn" oder dem Rotgerber Isaac Levy zuwandte, der 1835 als erster jüdischer Handwerker in die Zunft aufgenommen wurde.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort