Said Ossami Linzer kritisiert in seinem Buch die Instrumentalisierung des Glaubens

LINZ · Wer die offizielle Internetseite der Stadt Linz besucht, wird im Grußwort von Bürgermeister Adi Buchwald mit großen Worten begrüßt. In Zusammenhang mit dem kürzlich verstorbenen Nelson Mandela spricht er vom Kampf für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit. Linz, die "bunte Stadt am Rhein", ist auch der Wohnort von Said Ossami.

 Autor Said Ossami.

Autor Said Ossami.

Foto: Frank Homann

Themen wie Gerechtigkeit behandelt der gebürtige Iraner auch in seinem neuen Buch, in dem der 77-Jährige, der seit 1982 mit Frau und zwei Kindern im Rheinland lebt, sich den drei abrahamischen Religionen Islam, Judentum und Christentum widmet.

"Zarathustra - Eine Vision" ist ein Sachbuch, und es ist vor allem ein persönliches Anliegen des Autors, der weder ein Gesellschaftswissenschaftler noch hauptberuflich ein Schriftsteller ist. Das Treffen mit Said Ossami in seinem Heim mit einem atemberaubenden Blick über die Linzer Rheinpromenade verlässt schnell den Frage-Antwort-Rahmen und entwickelt sich zu einem angeregten Gespräch über sein Buch, seinen Werdegang, seine persönlichen Erinnerungen an die islamische Revolution im Iran.

1975 lud man Ossami, der in Aachen studiert hatte und nun dort als Dozent lehrte, in die Iranische Botschaft nach Bonn ein. "Der Botschafter appellierte an meinen Patriotismus", so Ossami. Man erklärte ihm, er werde im Iran gebraucht. Der Professor kehrte in seine Heimat zurück. Dort, so erklärt er auch im Vorwort, habe ihn die Iranische Revolution so weit gebracht, dass er sein "bisher religiös begründetes Menschen- und Gesellschaftsbild überprüft" habe. Angesichts der Grausamkeiten, die er hautnah miterlebte, fing er an, über Gott und Religionen nachzudenken.

"Ganz unverblümt nehme ich Folgendes an: Alle drei Religionsstifter wollten zu ihrer Zeit etwas Gutes erreichen. Wir müssen uns nun die Frage stellen: Was haben wir daraus gemacht?" Eines ist für ihn - unabhängig jeder Religionszugehörigkeit - klar: "Wenn ich ein gottesfürchtiger Mensch bin, mache ich solche Schandtaten nicht."

Welchen Wert haben Religionen noch in unserer Zeit, fragte er sich. "Die drei monotheistischen Weltreligionen werden zusehends instrumentalisiert." Er spricht von einem "Supermarkt der Religionen": "Ähnlich einer Marktwirtschaft entstehen immer mehr neue Sekten, die plötzlich berühmt werden und dann beginnen, untereinander zu konkurrieren. Wer hat schon vor 100 Jahren von Salafisten gehört?"

Woran liegt es seiner Meinung nach, dass im Namen der Religion so viele Grausamkeiten - ob sogenannte heilige Kriege, Attentate oder Kreuzzüge - begangen werden? "Unwissenheit und politisch oder wirtschaftlich motivierte Machtgier. Nichts anderes." Zu jener Art der politischen Instrumentalisierung, die er meine, gehöre es auch, wenn der türkische Ministerpräsident Erdogan in einer Rede sage: "Unsere Moscheen sind unsere Kasernen." Eine Abkehr von Religion und Gott sei aber auch keine Lösung. "Wir Menschen brauchen Gott, wir brauchen einen Halt." Man müsse nur darüber reflektieren, welchen Weg man dafür wählt.

In den Lehren Zarathustras, eines persischen Philosophen und Religionsstifter, der um 1500 vor Christi Geburt lebte, fand er eine Alternative. Bei ihm sei die Religion weder Institution noch Organisation. Zarathustra habe alle Menschen unabhängig von Ethnie, Hautfarbe oder Geschlecht angesprochen. Statt sich und sein Handeln auf die zehn Gebote oder die fünf Säulen des Islam zu stützen, sei der Mensch auf sich und seine Vernunft gestellt. In der These, die moralische Verantwortung des Menschen liege darin, "mit Hilfe seines von Gott gegebenen Verstandes selbst zwischen Gut und Böse zu unterscheiden", sieht Ossami einen Bogenschlag zur Epoche der Aufklärung.

Gerade in Ländern mit einem hohen Bildungsstand wie Deutschland wären solche Maximen hilfreich, etwa für die Integration. Und was hält Ossami in einem solchen Zusammenhang von der Aussage des Kölner Kardinals Joachim Meisner: "Ich sage immer, eine Familie von euch ersetzt mir drei muslimische Familien"? "Er ist eine angesehene Person. Ich hoffe, dass er sich vertan und sich einfach vergaloppiert hat."

Sich selbst bezeichnet der Buchautor als gottgläubig nach Zarathustras Lehren. Er besucht keine Kirche, keine Moschee und keine Synagoge. Was bringt ihn persönlich Gott nahe? "Gott ist uns näher als die Halsschlagader, er ist jederzeit da. Wir brauchen uns nur an ihn zu wenden", lautet seine Antwort. Rituale für die Suche nach Gott findet Said Ossami zur Genüge: Er unternimmt gern lange Spaziergänge durch die Höhenlagen der Stadt Linz. Und er engagiert sich sehr für sein persönliches Projekt, die Sanierung des an sein Wohngebiet angrenzenden alten Friedhofes.

Zur Person

Professor Dr. Said Ossami ist 77 Jahre alt und lebt gemeinsam mit seinen beiden Kindern und seiner Frau seit 1982 in Linz. In den 60er Jahren studierte er Verfahrenstechnik an der Technischen Hochschule in Aachen, promovierte und war Gastredner bei internationalen Konferenzen. Er ist Mitinhaber zweier Patente zu Energiegewinnungsverfahren in Deutschland und einem weiteren in Kanada. "Zarathustra - Eine Vision" (ISBN: 978-3-86279-832-2) ist sein zweites Buch nach der persischen Fabelsammlung "Mein Vater und ich".

Islam-Revolution im Iran

1963 begannen im Iran die ersten gewalttätigen Unruhen, die sich gegen den Schah Mohammad Reza Pahlavi und seine westlich geprägten Reformpläne richteten. In der Konferenz von Guadeloupe im Januar 1979 entschieden die westlichen Staaten, den Schah nicht mehr zu unterstützen und das Gespräch mit Revolutionsführer Ayatollah Ruhollah Chomeini zu suchen. Nach zahlreichen Verhaftungen und Exekutionen wurde im April 1979 die Konstitutionelle Monarchie durch die neue Staatsform der Islamischen Republik ersetzt.

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