Bonner Autorin Kristin Höller hat Debütroman veröffentlicht

Rheinbach · Aus ihrem "Schöner als überall" liest die 23-jährige Kristin Höller in der Reihe "Zu Gast auf dem Sofa" in Rheinbach. Über die Lesung in der Hochschulbibliothek sprach sie vorab mit dem General-Anzeiger.

 Kristin Höller

Kristin Höller

Foto: Heike Steinweg

Es muss ein vergleichsweise erhebendes Gefühl gewesen sein, als Sie Ihr Erstlingsbuch erstmals in den Händen hielten?

Kristin Höller: Das war schon erhebend, das ist schon das richtige Wort. Obwohl man so lange daran arbeitet, zwei Jahre hat es ich hingezogen, ist man überrascht, wenn das Ergebnis dann per Post ankommt. Das Erste, was ich gedacht habe, war: Wie absurd ist es, dass ich über jedes einzelne Wort in dem Buch mal nachgedacht habe. In der Summe sind es sehr, sehr viele Wörter und sehr viele Seiten. Vielleicht gewöhnt man sich später mal daran, wenn man schon viele Bücher geschrieben hat, aber ich konnte mich in den ersten Tagen noch nicht daran gewöhnen. Ich musste es mir immer wieder anschauen.

In Ihrem Buch gibt es in Martins namenlosem Heimatort rauschende Folien auf den Feldern und die Mittelrheinbahn verkehrt dort. Das sind Assoziationen, die uns im Rhein-Sieg-Kreis und Bonn bekannt vorkommen...

Höller: Natürlich ist die Szenerie an das angelegt, was ich kenne. Mir war aber beim Schreiben wichtig, einen Ort zu wählen, der überall sein könnte. Es ist eine Geschichte, die sich in Deutschland in jedem Vorort hätte zutragen können. Der Ort hat schon was Spezifisches, ist aber letztlich ein Allgemeinplatz.

Ihre Hauptfigur heißt Martin. Ist es schwer, als Erzählerin die männliche Perspektive einzunehmen?

Höller: Das werde ich häufig gefragt. Ich finde es gar nicht so schwierig. Ich habe mit Martin eine Figur erfunden, die nicht typisch männlich ist. Und ich versuche, mich beim Schreiben von der Vorstellung zu verabschieden, dass es eine typisch männliche und eine typisch weibliche Perspektive gibt. Bei mir sprechen die Menschen wie sie wollen – respektive, wie ich es will. Das muss dann nicht unbedingt das Klischee eines jungen Mannes bedienen. Das hat der Figur, so glaube ich, ganz gut getan.

Ein wunderbar fließendes Stilmittel ist Ihr Verzicht auf direkte Rede im Roman. Haben Sie mit sich gerungen, dies einzusetzen?

Höller: Sofern ich mich erinnern kann, habe ich ganz am Anfang mit Dialogen herumprobiert. Aber da hatte ich immer das Gefühl, zumindest, wenn ich sie selbst schreibe, klingen die sehr schnell sehr hölzern – wie einstudiert. Außerdem war es mir wichtig, ganz nah bei der Erzählfigur Martin zu bleiben und alles durch seinen Blick darzustellen. Darum hat es sich angeboten, auf klassische Dialoge zu verzichten und alles direkt in die Erzählung einzubetten.

Martin ist ein Mensch, der „im Kopf nicht stillhalten kann“. Ist das ein Gefühl, welches Sie kennen?

Höller: Auf jeden Fall. Ich glaube, das kommt vor allem daher, dass ich irgendwann angefangen habe, auf all die kleinen Dinge im Alltag zu achten – mit der Absicht, sie für einen Text zu verwenden. Das macht dann etwas mit der eigenen Wahrnehmung. Das ist ganz schön, manchmal allerdings auch etwas anstrengend. Aber so habe ich viel mehr Material zum Schreiben. Trotzdem ist es so, dass Martin eine Figur ist, die das noch ausgeprägter empfindet, als es – so glaube ich – normal ist.

Sie beschreiben eine Wahrnehmung, die sich anfühlt, wie ein „Geruch, bloß in den Ohren“. Wo sitzen Sie, wenn Sie solche Formulierungen ersinnen?

Höller: Ich kann an ganz vielen Orten schreiben. Das größte Ausschlusskriterium ist Lärm. Häufig schreibe ich zu Hause am Schreibtisch, in der Bibliothek, im Café bin ich auch oft gewesen. Ich kann aber auch auf Reisen im Zug schreiben. Das kann etwas sehr Beruhigendes haben. Für mich hängt die Tatsache, ob man was Vernünftiges zustande bringt, weniger vom Ort des Schreibens ab als vielmehr von der Tagesform: An manchen Tagen geht ganz viel und an manchen gar nichts.

An anderer Stelle Ihres Buches schildern Sie, dass ein „napfendes Geräusch“ zu vernehmen ist. Das entsteht, wenn man Hände aus dem Schlamm zieht. Wie oft mussten Sie Ihre Hände in Schlamm baden, eh Sie sich für diese lautmalerische Formulierung entschieden haben?

Höller: Literatur funktioniert, wenn man sie liest, über die Vorstellungskraft. Und so ähnlich ist es beim Schreiben auch. Ich muss ja nicht alles machen, bevor ich es aufschreibe. Sonst hätte ich viel länger, wohl doppelt so lange gebraucht. Es ist vielmehr ein Erinnern an Vergangenes. Das Meiste hat man ja in ähnlicher Form schon mal so erlebt. Jeder hat mit Sicherheit schon mal irgendwo reingegriffen, das dann so geklungen hat. Aber ich habe das gewiss nicht unmittelbar vor dem Schreiben gemacht, sondern schon ein paar Jahre davor.

Jeder Schriftsteller weiß, dass nach dem Buch vor dem nächsten Buch ist. Wie weit ist der Nachfolger von „Schöner als überall“ gediehen?

Höller: Ich muss gestehen, dass es den noch gar nicht gibt. Ich hatte nach der Beendigung des Buches das Gefühl, nie wieder irgendwas schreiben zu können: Es ist alles auserzählt. Das ist natürlich Quatsch. Das Gefühl, zu schreiben und zu erzählen, ist – Gott sei Dank – relativ schnell wiedergekommen. Es hat ein paar Monate gedauert. Ich habe ein bisschen überlegt. Vielleicht wird das zweite Projekt jetzt was anderes: Kurzgeschichten, was fürs Theater. Aber vielleicht sollte man mich das in einem halben Jahr noch mal fragen. Dann sieht das sicher schon wieder ganz anders aus, und es gibt ein neues Dokument auf meinem Computer. Da bin ich mir sicher.

Am Mittwoch, 4. September, 19.30 Uhr, ist Kristin Höller „Zu Gast auf dem Sofa“ in der Hochschul- und Kreisbibliothek am Campus Rheinbach, Von-Liebig-Straße 20. Karten kosten zehn, ermäßigt sechs Euro. Ihr Debütroman „Schöner als überall“ ist bei Suhrkamp Nova erschienen, 219 Seiten stark und kostet 18 Euro.

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