GA-Serie "Rheinische Redensarten" Lävve on lävve losse

In der Serie „Rheinische Redensarten“ beleuchten wir mit Unterstützung von Dialektsachverständigen bedeutungstiefe Redewendungen.

Leben und leben lassen.

Leben und leben lassen.

Foto: GA-Grafik

Die Toleranz der Rheinländer ist sprichwörtlich, deshalb geht dem Zeitgenossen, der hier verwurzelt ist, diese Redensart ganz leicht von den Lippen: „Lävve on lävve losse“. Auch für Zugezogene dürfte das sprachlich überhaupt kein Problem darstellen. Es bedeutet übersetzt:Leben und leben lassen.

Im übertragenen Sinne ist das der Freibrief an den geneigten Mitmenschen, so leben und agieren zu dürfen, wie er selbst es möchte, auch wenn seine Lebensweise von der des anderen abweicht. In Variationen kommt diese Aussage immer wieder im Rheinischen vor, etwa in „Jeck loss Jeck elans“ (Ein Jeck lässt den anderen Jeck vorbei).

Nun könnte man meinen, „leben und leben lassen“ sei auch im Rheinland erfunden worden und habe von hier aus den Siegeszug in den allgemeinen deutschen Sprachgebrauch gestartet.

Leider ist es diesmal genau anders herum. Aber auch hier liegt dies im Kern daran, dass das Rheinland im Laufe der Geschichte oft Besuch und Besatz von anderen Völkern und Gruppierungen hatte. So etwa von den Preußen, die hier eine ganze Zeit lang das Sagen hatten.

Und auf diesem Weg wurde auch das Werk Friedrich Schillers hierher getragen, der in seinem „Wallenstein“ über den Feldhern Tilly sagt: „Dem eigenen Körper war er strenge, dem Soldaten ließ er vieles passieren, und ging's nur nicht aus seiner Kassen, sein Spruch war: leben und leben lassen.“ Das entsprach ja genau dem Leitspruch des Preußenkönigs Friedrichs des Großen, jeder möge nach seiner eigenen Facon glücklich werden.

Da stellt sich natürlich die Frage, ob die Rheinländer ihren vielgepriesenen Wesenszug der Toleranz nicht vielleicht sogar den Preußen zu verdanken haben. Etwa so, wie ja auch die karnevalistischen Uniformen einen Anklang an das preußische Militär darstellen. Schließlich war das Rheinland von 1822 bis 1945 die Rheinprovinz von Preußen. Da kann es doch sein, dass die Besatzer nicht nur den Ordnungssinn hier ließen.

Haben auch Sie einen rheinischen Lieblingsspruch, dann mailen Sie ihn uns unter rheinisch@ga.de. Die „Rheinischen Redensarten“ aus der wöchentlichen Kolumnenserie des General-Anzeigers sind als Buch erschienen und ab sofort in den GA-Geschäftsstellen und im Handel zu haben. Das gedruckte Werk hat die Edition Lempertz verlegt, ISBN: 978-3-96058-211-3, es kostet 9,99 Euro.

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