Lebensgefährliche Nascherei am Bahndamm

Bonner Polizei warnt vor Brombeerpflücken an Gleisen - Umleitungen können dem Verursacher mit 40 Mark pro Minute in Rechnung gestellt werden

  Immer mehr  Brombeerpflücker ertappt der Bundesgrenzschutz entlang der Bahngleise. Ein lebensgefährliches Hobby, sagen die Beamten.

Immer mehr Brombeerpflücker ertappt der Bundesgrenzschutz entlang der Bahngleise. Ein lebensgefährliches Hobby, sagen die Beamten.

Foto: Frommann

Bonn. Auf dem Bonner Wochenmarkt kosten sie mehr als zehn Mark pro Kilo. Im Bahngleis möglicherweise das Leben. In Essen-Kray starb vor wenigen Tagen ein 79 Jahre alter Mann beim Brombeerpflücken an einer Bahnstrecke.

Der erste Todesfall, von dem Bahnsprecher Manfred Pietschmann weiß, doch "das Problem mit Personen im Gleis haben wir jeden Sommer". Und zwar nicht nur in Köln oder im Ruhrgebiet, sondern auch in Bonn und der Region. Ein Beamter des Bundesgrenzschutzes der Wache am Bonner Hauptbahnhof berichtet: "Zuletzt haben wir in Duisdorf Leute an den Gleisen angetroffen."

Werden Brombeerpflücker oder andere Personen auf den Schienen erwischt, greifen die Grenzschützer zum Verwarnblock: Überqueren kostet 20 Mark, der Aufenthalt 50 Mark. Wenn der Lokführer sogar eine Notbremsung einleiten muss, wird Anzeige wegen unerlaubten Eingriffes in den Bahnverkehr erstattet. Darüber hinaus kann die Bahn Schadensersatz fordern.

Wenn Lokführer Menschen in oder an Gleisen sehen, ertönt ein Pfiff, und dann wird über die Fahrdienstleitung der BGS informiert. Umleitungen des Zugverkehrs oder Streckensperrungen sind laut Pietschmann die Folgen. "Dann herrscht bei uns ziemliches Tohuwabohu."

Spielende Kinder, Brombeerpflücker oder andere Personen, die sich in Gleisnähe aufhielten, hätten allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres mehr als 4 000 ausgefallene Zugkilometer verursacht. Pietschmann: "Mehr als 50 Prozent unserer Verspätungen sind durch uns nicht beeinflussbar."

Wenn Züge umgeleitet werden oder warten müssen, stellt die Deutsche Bahn dem Verursacher - wenn er denn von der Polizei gefasst wird - pro Minute 40 Mark in Rechnung. Dann können schnell vierstellige Summen zusammen kommen. Teure Brombeeren.

Martina Dressler, stellvertretende Sprecherin der BGS-Inspektion Köln: "Probleme mit Personen im Gleis haben wir sehr häufig, im Sommer kommen Brombeerpflücker und spielende Kinder hinzu. Sie wissen offenbar nicht, in welche Gefahr sie sich begeben."

Nicht nur direkt im Gleis ist es gefährlich, sondern auch daneben, denn Züge entwickeln laut BGS ab einer Geschwindigkeit von 80 Stundenkilometer eine Sogwirkung. So sei es auch dem Brombeerpflücker in Essen ergangen. Er wurde vom Zug nicht überrollt, aber wohl vom Sog gegen den Zug gedrückt.

"Viele denken über ihr Tun offenbar überhaupt nicht nach", sagt Pietschmann. So habe ein Mann mal gesagt: "Mir passiert doch nichts. Ich stehe auf einer Güterzugstrecke, hier kommt doch kaum ein Zug vorbei." Riskante Nascherei. Die Brombeerpflücker - laut BGS sind es sowohl Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene - "stehen mit ihren Eimerchen am Bahndamm und hängen mit ihrem Gesäß fast im Gleisbereich. Ich dachte, ich werde verrückt", so der Bahnsprecher.

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