Prozess vor dem Bonner Landgericht Mit Stuhlbein auf Nervenarzt eingeschlagen und Tötung des Gutachters geplant

TROISDORF/BONN · Es hätte wohl nicht viel gefehlt, und ein psychiatrischer Gutachter hätte seinen Job mit dem Leben bezahlt: Als der vom Siegburger Amtsgericht im Rahmen eines Betreuungsverfahrens beauftragte Mediziner bei einem 44-Jährigen in Troisdorf-Bergheim erschienen war, hatte der Doktor der Chemie mit einem Stuhlbein auf den Nervenarzt eingeschlagen und ihn schwer am Kopf verletzt.

Und nicht nur das: In der Wohnung hatten die Ermittler später sogar detaillierte Mordpläne gefunden.

Seit Dienstag muss sich der arbeitslose Troisdorfer für die Tat vor dem Bonner Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft hat die dauerhafte Unterbringung des offenbar seit mehreren Jahren an einer schizophrenen Psychose erkrankten Mannes in einer psychiatrischen Klinik beantragt.

Es war der Morgen des 23. März dieses Jahres: Der 68 Jahre alte Gutachter hatte sich dem 44-Jährigen laut eigenen Angaben erst einmal vorgestellt. Da habe der Chemiker plötzlich "nach einem neben der Tür aufgehängten Gegenstand gegriffen und damit sofort auf mich eingeschlagen". Geistesgegenwärtig habe er seine Aktentasche hochgehalten und den Rückzug angetreten, so der Gutachter nun im Zeugenstand.

Die gesamten zwei Stockwerke bis zur Hauseingangstür des Mehrfamilienhauses habe der Beschuldigte mit dem Stuhlbein auf ihn eingeschlagen. Erst kurz vor der Tür hätten die Schläge aufgehört. "Das Blut lief mir über die Kleidung. So etwas ist mir in 40 Jahren als Nervenarzt noch nie passiert", so der Zeuge.

Durch die Schläge hatte er ein Schädel-Hirn-Trauma, zwei riesige Platzwunden am Hinterkopf und etliche Blutergüsse erlitten. Die Besatzung eines Müllfahrzeugs hatte damals die Rettungskräfte alarmiert. Zudem hatte sich eine Nachbarin um das Opfer gekümmert.

Vor Gericht entschuldigte sich der seit der Attacke bereits vorläufig in der geschlossenen Anstalt untergebrachte 44-Jährige nun: "Ich bereue die Tat. Das war falsch." In seiner Vorstellung hat er in Notwehr gehandelt. Er habe den Gutachter für einen Betrüger gehalten, da er im Internet nichts über den Arzt und dessen Habilitierung gefunden habe. Zudem habe er befürchtet, seine Selbstständigkeit zu verlieren, wenn er unter Betreuung gestellt werde.

Am Tag vor der Tat hatte er sogar die Wohnung des Gutachters aufgesucht und dort ein Video gedreht. Nach der Tat hatte sich der Arbeitslose von seinem Balkon abgeseilt, dann war er mit dem Auto geflüchtet. Bei der Wohnungsdurchsuchung dürfte den Ermittlern der Atem gestockt haben: Auf Zetteln hatte der Beschuldigte seinen detaillierten Plan niedergeschrieben, den Gutachter umzubringen.

Offenbar standen in der Wohnung bereits mehrere Gaskartuschen und Streichhölzer bereit, mit denen er den Mediziner verbrennen wollte. Von diesem Plan hatte der 44-Jährige nach eigenen Angaben jedoch wieder Abstand genommen. "Ich wollte ihn nicht töten", so der Chemiker. Deshalb habe er aufgehört zu schlagen. "Zu seinem und meinem Glück konnte er fliehen."

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