Nach der Borkenkäfer-Plage im Königsforst „Wir brauchen Milliarden Bäume“

Köln · Drei trockene Sommer haben ausgereicht, dass sich der Borkenkäfer massenhaft ausbreiten konnte. Das Ergebnis: 90 Prozent der Fichten im Königsforst sind tot. Nun läuft ein besonderes Wiederaufforstungsprojekt.

 Forstamtsleiter Stephan Schütte (links) und Revierleiter Jürgen Greißner imformieren im Königsforst über die Wiederaufforstung nach dem Borkenkäferbefall.

Forstamtsleiter Stephan Schütte (links) und Revierleiter Jürgen Greißner imformieren im Königsforst über die Wiederaufforstung nach dem Borkenkäferbefall.

Foto: Sandra Liermann

Da, wo einst Fichten dicht an dicht standen und das Licht schluckten, herrscht jetzt freie Sicht. Vereinzelt liegen im Königsforst noch Rindenstücke auf dem Waldboden, in denen lange, eingefressene Gänge und Kammern zeigen, wer hier gewütet hat: der Borkenkäfer. Wenn Fichten genug Wasser haben, können sie die Schädlinge mit Harz ersticken, sobald diese sich in die Rinde einbohren. Nicht so in den vergangenen drei Sommern. Durch die langanhaltende Trockenheit waren die Bäume geschwächt, konnten den Käfern nichts entgegensetzen und wurden massenhaft befallen.

Im Bereich des Forstamts Rhein-Sieg-Erft, das sich über den Ballungsraum Köln-Bonn hinaus erstreckt, mussten bis heute etwa eine Million befallene Fichten gefällt werden. Nun sollen die so entstandenen Kahlflächen wieder bewaldet werden.

Wiederaufforstung im Königsforst hat begonnen

Forstamtsleiter Stephan Schütte und Jürgen Greißner, der das Forstrevier Broichen-Steinhaus im Königsforst leitet, haben den internationalen Tag des Waldes am 21. März nun zum Anlass genommen, um im Wald nördlich von Forsbach über die Wiederbewaldung zu informieren. Die Botschaft des Aktionstags, der erstmals 1971 ausgerufen wurde: Wälder schützen und nachhaltig nutzen, anstatt zu zerstören.

 Wo früher Fichten standen, finden sich jetzt weitläufige Kahlflächen. Im Vordergrund ein Stück Rinde, in das der Borkenkäfer lange Gänge eingegraben hat.

Wo früher Fichten standen, finden sich jetzt weitläufige Kahlflächen. Im Vordergrund ein Stück Rinde, in das der Borkenkäfer lange Gänge eingegraben hat.

Foto: Sandra Liermann

Damit es in der Region auch in 100 Jahren noch Wald gibt, läuft im Königsforst nun „ein großes Experiment“, wie Forstamtsleiter Schütte es nennt. Denn schließlich könne heute niemand sagen, wie der Klimawandel fortschreite und sich die Vegetation hierzulande verändern wird. „Aber“, so Schütte, „Resignieren ist keine Lösung“. Mit einer Mischung aus aktiven Pflanzungen und natürlicher Wiederbewaldung sollen hier Bäume wachsen, die dem Klimawandel standhalten können.

Im laufenden Winterhalbjahr sollen eine Million neue Bäume im Forstamtsbereich gepflanzt werden. Die Kosten: etwa 2,5 Millionen Euro. Die Waldbesitzer erhalten dazu eine staatliche Förderung in Höhe von durchschnittlich 70 Prozent.

Die ersten Bäume stehen schon. Schütte weist auf einen Trupp junger Buchen. Während Kahlflächen früher flächig mit etwa 5000 Bäumen pro Hektar bepflanzt wurden, nutzt man heute die sogenannte Trupppflanzung, bei der pro Hektar etwa 600 bis 700 Pflanzen eingesetzt werden. Die jungen Bäume - Eichen und Buchen in diesem Fall - werden dabei zu Gruppen zusammengesetzt. Auf den Freiflächen dazwischen siedeln sich von Natur aus Birken, Weiden, Lärchen und Kiefern an. Letztlich soll so ein Mischwald aus mindestens sechs Baumarten entstehen.

 Forstamtsleiter Stephan Schütte präsentiert eine junge Buche. Für das Foto hat er sie kurz ausgegraben. Keine Sorge: Im Anschluss wurde sie direkt wieder eingepflanzt.

Forstamtsleiter Stephan Schütte präsentiert eine junge Buche. Für das Foto hat er sie kurz ausgegraben. Keine Sorge: Im Anschluss wurde sie direkt wieder eingepflanzt.

Foto: Sandra Liermann

Fichten im Königsforst sind zu 90 Prozent abgestorben

„Wir arbeiten wissenschaftlich basiert mit den Baumarten“, erklärt Schütte. Untersuchungen zeigen, dass insbesondere Eichen gut mit der zunehmenden Trockenheit im Sommer und Temperaturen von über 40 Grad zurechtkommen. Buchen wachsen etwas langsamer als Eichen und gedeihen gut im Halbschatten. Auch Flatterulme und Vogelkirsche kommen mit der Trockenheit zurecht.

Einige der jungen Bäume, die schon gepflanzt wurden, stecken derzeit noch in Plastikummantelungen, sogenannten Wuchshüllen. Der Grund: Wildtiere würden sonst die Knospen abbeißen oder die Bäume mit ihrem Gehörn beschädigen. Um den Wald der Zukunft zu schützen, wird das Wild entsprechend bejagt. „Wir können den Aufbau des klimastabilen Mischwalds nicht daran scheitern lassen, dass es zu viel Wild gibt“, sagt Schütte. Und Forstrevierleiter Greißner ergänzt: „Wir gehen natürlich nicht wahllos jagen, sondern bestimmen den Abschuss vor der Jagd.“ Dazu finden regelmäßig Zählungen der Wildtiere statt.

 Diese jungen Eichen tragen eine Schutzhülle, damit sie nicht von Wildtieren beschädigt werden.

Diese jungen Eichen tragen eine Schutzhülle, damit sie nicht von Wildtieren beschädigt werden.

Foto: Sandra Liermann

Einige abgestorbene Fichten stehen noch im Königsforst, um die Freiflächen nicht zu groß werden zu lassen. Gefahr durch den Borkenkäfer bestehe hier aber nicht mehr: „Es gibt nichts mehr, was hier großflächig kaputtgemacht werden kann“, erklärt Greißner. „Die Fichten im Königsforst haben sich zu 90 Prozent verabschiedet. Wenn der kommende Sommer wieder so trocken wird, sind auch die restlichen zehn Prozent weg.“

Kritiker mögen nun anmerken, dass eine Räumung der abgestorbenen Fichten gar nicht nötig gewesen wäre, schließlich würde ja zwischen toten Bäumen von Natur aus neue Wälder entstehen. Doch Schütte erklärt: „Dann hätten wir irgendwann reine Birkenwälder.“ Denn Kahlflächen bewalden sich in den meisten Fällen durch sogenannte Pionierbaumarten wie Birken oder Weiden neu. Wenn sich in der Nähe Buchen- oder Eichenwälder befinden und Eichelhäher, Mäuse oder Eichhörnchen deren Früchte einschleppen, entwickelte sich in der Vergangenheit nach und nach ein Wald aus Buchen. Diese konnten zwar - im Gegensatz zu Eichen - gut im Schatten der Birken heranwachsen, brauchen aber eher eine feuchte Witterung. Und die wird es mit Blick auf die prognostizierte Klimaveränderung in Zukunft wohl nicht mehr geben.

Forstamtsleiter: „Hoffen, dass Pariser Klimaziele umgesetzt werden“

„Es ist eine Utopie zu glauben, dass Natur hier Natur sein kann“, sagt Schütte. „Es gibt hier keinen Naturwald, in Deutschland finden sich nur Kulturwälder.“ Wälder also, die vom Menschen bewirtschaftet und deren Ressourcen genutzt werden. Auch die Fichte, die in den vergangenen Jahren großflächig vom Borkenkäfer vernichtet wurde, gehört nicht zur natürlichen Vegetation, sondern wurde erstmals zu Beginn des 19. Jahrhunderts von den Preußen aufgeforstet.

Ein Blick in die Zukunft? „Wir hoffen sehr, dass die Pariser Klimaziele umgesetzt werden“, sagt Schütte. „Sonst bekommen wir hier eine Vegetation wie am Mittelmeer.“ Alle Hoffnung liegt nun auf dem klimastabilen Mischwald. „Wir waren überrascht, mit welcher Rasanz uns der Klimawandel getroffen hat“, erklärt er. Deutschlandweit pflanzen Forstbetriebe in regulären Winterhalbjahren etwa 100 Millionen neue Bäume - also etwa 10 pro Hektar. Durch die nun innerhalb weniger Jahre entstandenen Kahlflächen sei der Bedarf enorm gestiegen. „Jetzt brauchen wir Milliarden Bäume.“

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