Neuwied: Lehrer vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs freigesprochen

Kreis Neuwied · Für Empörung im nördlichen Kreis Neuwied sorgt ein Urteil des Oberlandesgerichtes (OLG) Koblenz: Ein heute 37-jähriger Pädagoge ist darin vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener freigesprochen worden.

"Das Urteil schockiert uns alle", sagte der Leiter der betroffenen Schule dem General-Anzeiger. Dort war der 37-Jährige von 2003 bis 2007 tätig und unterhielt eine geheim gehaltene, sexuelle Beziehung zu einer 14-Jährigen. "Gerade war das Ganze einigermaßen verarbeitet, jetzt schlägt die Welle erst richtig hoch."

Auslöser ist eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes, das in dritter Instanz eine Verurteilung des 37-jährigen Lehrers zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung gekippt hat. Zugetragen hatte sich der Fall 2007. Von Januar bis Mai war es laut Gericht immer wieder zu sexuellen Handlungen zwischen dem Lehrer und der Schülerin gekommen.

Die von dem Pädagogen geführte Klasse strebte den Hauptschulabschluss an, die 14-Jährige besuchte die Parallelklasse. Für die Abschlussfeier wurde ein Musical eingeübt; Schüler der ganzen Klassenstufe neun nahmen einmal wöchentlich an einem Tanzkursus teil. Die 14-Jährige besuchte den Kursus, den der damals 32-Jährige leitete; einige Male vertrat er einen Kollegen in ihrer Klasse.

Bei einer Fahrt nach Hamburg mit Musical-Besuch kam es zum engeren Kontakt. Im Putzraum der Schule dann folgten erste sexuelle Handlungen. Durch einen Zufall flog die Beziehung, die der suspendierte Lehrer im Prozess eine "Liebesbeziehung" nannte, auf. Das Neuwieder Amtsgericht verurteilte den Lehrer im Januar 2011 zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung.

Die Berufung wurde im Juni vom Landgericht Koblenz abgeschmettert. Das OLG hingegen gab dem 37-Jährigen Recht. "Grundsätzlich", so ein OLG-Sprecher, "ist in Deutschland ein sexuelles Verhältnis zwischen einer 14-Jährigen und einem 32-Jährigen nicht strafbar." Gesetzliche Ausnahmen gelten beispielsweise, wenn Abhängigkeitsverhältnisse bestehen, etwa ein "Obhutsverhältnis".

Dieses liege aber nur vor, wenn "die Schülerin dem Lehrer ausdrücklich zur Erziehung, zur Ausbildung und Betreuung in der Lebensführung anvertraut" sei und "Einwirkungsmöglichkeiten auf die körperliche, moralische und seelische Entwicklung über eine gewissen Zeitraum" vorlägen.

Auch der Bundesgerichtshof vertrete die Ansicht, "alleine der Umstand, dass ein Lehrer und eine Schülerin an einer Schule sind, reicht nicht aus, um bei einem sexuellen Verhältnis eine Straftat anzunehmen". In der OLG-Begründung heißt es dazu, bei einer Schule mit rund 500 Schülern und 34 Lehrern sei es "schon aus tatsächlichen Gründen unmöglich, dass jeder Jugendliche, der diese Schule besucht, dem Angeklagten zur Erziehung anvertraut war".

Das sieht der Leiter der Schule ganz anders: "Die Obhut beginnt für uns immer und in jedem Fall, sobald ein Schüler die Schule betritt." Für ihn kommt die formal-juristische OLG-Lesart einer Katastrophe gleich, die an der Realität an Schulen vorbei geht: Über das Obhutsverhältnis an Schulen und dessen gesetzliche Regelung müsse "neu nachgedacht" werden.

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