Nur der Wind kann sie stoppen

600 Bauarbeiter ziehen in 17 Monaten den höchsten Büroturm in NRW hoch - Sie verarbeiten 80 000 Kubikmeter Beton und 16 000 Tonnen Stahl

Bonn. Für die einen wie Polier Alfred Habig ist "das hier etwas, was man nur ein, zwei Mal in seinem Leben macht". Für die anderen wie Eisenbieger Paul Seipel ist "das alles nix Besonderes".

Nix Besonderes? Dass man mitbaut am höchsten Büroturm Nordrhein-Westfalens. Mitbaut an einer Stahl-Beton-Konstruktion, die mit 162,50 Metern den Kölner Dom in den Schatten stellt. Dass man einer von bis zu 600 Arbeitern aus ganz Europa ist, die in nur 17 Monaten 16 000 Tonnen Stahl und 80 000 Kubikmeter Beton auf 41 Ober- und fünf Untergeschossen so verarbeiten, dass alles auf den Zentimeter genau sitzt. "Wir schaffen jede Woche eine Etage. Im Oktober soll der Rohbau stehen", sagt Ralf Dolling, stellvertretender Projektleiter bei Hochtief, deren Bonner Niederlassung den Post-Tower baut.

Die mannshohe, ringsum verlaufende Windschutzwand lässt einen glatt vergessen, dass man im 16. Stock auf 60 Meter Höhe ist. Dort sind Paul - wie sie ihn einfach nennen - und die anderen mittlerweile angelangt. Für den Mann mit den Brillanten besetzten Goldohrringen und der vom Stahl zerrissenen Jacke ist Eisenbiegen Eisenbiegen; eine Knochenarbeit, die er seit 25 Jahren macht. Und Eisenbiegen auf dem 16. Stock des Post-Towers unterscheidet sich vom Eisenbiegen in einem Flachbau eigentlich nur darin, "dass man mehr laufen muss, wenn man in die Pause will". So einfach ist das.

Im Grunde so einfach wie die Statik des Towers. Denn dessen Konstruktion erinnert an ein Ikea-Regal. Das Prinzip hier wie dort: Vier Stützen und Andreaskreuze sorgen für Stabilität. Den Unterschied macht letztlich nur die Masse. Und die Masse des Post-Towers macht''s: Allein die insgesamt zehn Andreaskreuze wiegen 14 Tonnen pro Stück. Die Unmengen an Stahl und Beton verlangen Ingenieuren wie Arbeitern einiges ab. So stellt die richtige Wahl der insgesamt 40 Betonsorten - zehn sind auf "normalen" Baustellen üblich - die Ingenieure vor schwierige Aufgaben. Die unteren Etagen müssen einen enormen Druck aushalten. B 85 - Beton, der pro Quadratmeter 85 Tonnen aushält - sorgt mit dafür, dass der Koloss nicht in die Knie geht und als Schiefer Turm von Bonn in die Baugeschichte eingeht. Allein in die zwei bis dreieinhalb Meter dicke Bodenplatte des Post-Towers haben die Arbeiter rund 4 200 Tonnen Stahl verarbeitet, 500 Mal so viel wie in die Bodenplatte eines Einfamilienhauses. Mehr als 1 800 Laster holten den Beton dafür aus einem Mischwerk, das eigens für den Tower rotiert.

Eine Herausforderung ist Bonns neues Wahrzeichen auch für die Kranführer auf K 1, dem höchsten der sieben Kräne. Schon zurzeit brauchen sie fast eine halbe Stunde, um über die schmale Eisenleiter in ihre Kabine zu gelangen. Rund 200 Meter werden sie im Oktober dort oben vom Boden entfernt sein - mit Blick über den Venusberg hinweg.

Habig, mit seinem weißen Polierhelm der ruhende Pol inmitten der emsigen Gelbhelme, sagt: "Die Kranführer hier gehören zu den besten, die Hochtief hat. Mit ihnen steht und fällt alles." K 1 liefert ohne Unterlass Baumaterial nach oben: 2 000 Kilo schwere Bündel Stabstähle, 7,7 Tonnen schwere Deckenträger und immer wieder Stahlmatten. Je höher der Post-Tower wächst, desto stressiger wird es für die Kranführer, die in ständigem Funkkontakt mit Habig stehen. Beim obersten Stockwerk, Etage 41, werden sie bis zu sechs Minuten brauchen, um das Material mit dem 500 Meter langen Aufzugseil hochzuheben. Der Wind ist dabei ihr ärgster Feind. Wenn der heftig weht, lässt Polier Habig die Arbeiten einstellen. Da nützt dann auch die Schutzwand wenig, die Paul und die anderen vor den gefährlichen Windböen schützt. Sturm vereitelt auch dem besten Kranführer die punktgenauen Landungen, bringt die Arbeiten in Verzug. Doch bislang liegen Hochtief und die 50 Subunternehmen im Zeitplan. Jede Woche, jeder Tag, jede Stunde ist bis Oktober geplant. Im Containerbüro von Projektleiter Thomas Drill hängen mahnend quadratmetergroße Zeitpläne, einige von insgesamt mehreren zehntausend Plänen, für deren Ordnung ein eigener Mitarbeiter von Hochtief zuständig ist.

Und zumindest, was die Bezahlung angeht, ist die Arbeit auf dem Tower "nix Besonderes": 21 bis 23 Mark brutto die Stunde kriegen Paul und die anderen. Egal auf welcher Etage sie arbeiten.

Weitere Fotos finden Sie in unserem Post-Tower-Spezial.

Lesen Sie dazu auch: Der Architekt und sein Werk

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