Paralympics-Medaillenträger Rainer Schmidt macht sich Gedanken über Phänomen Glück

Auf den Vergleich mit anderen kommt es ihm nicht an - Frühstücksforum in Bad Honnef

Paralympics-Medaillenträger Rainer Schmidt macht sich Gedanken über Phänomen Glück
Foto: Frank Homann

Bad Honnef. "Barcelona 1992. Das Endspiel vor 12 000 Menschen. Ein Gegner, der mich schon mal geschlagen hatte. 21 Punkte auf meiner Seite. Die Zuschauer applaudieren. Blitzlichtgewitter. Ich habe es geschafft. Ich reiße die Arme hoch."

So erinnert sich Rainer Schmidt an einen ganz besonderen Glücksmoment. An seine Goldmedaille bei den Paralympics. Die Frühstücksteller im evangelischen Gemeindezentrum sind bereits abgeräumt, ein paar Brötchenkrümel liegen noch auf den Tischen. Schmidt ist Gast beim Frühstücksforum. Und da geht es diesmal um das Glück.

"Wir liegen mit dem Thema genau richtig. Überall wird vom Glück geschrieben und gesprochen", meint Pfarrerin Britta Besucher. Der Blickwinkel diesmal: "Sind Christen glücklich(er)?" Schmidt hat dazu eine Menge zu sagen, und die Frühstücksgesellschaft hängt an seinen Lippen. Er ist Dozent am Pädagogisch Theologischen Institut in Bad Godesberg. Er hat zwei Bücher geschrieben.

Und ihre Titel "Lieber Arm ab als arm dran" und "Spielend das Leben gewinnen" sagen etwas aus über sein Handicap und auch über seine Lebenseinstellung. "Er ist für mich ein besonderer Mensch, er ist herausgefordert vom Leben. Das Leben gewinnen, das hat aber auch etwas mit Glück zu tun", stellt Pfarrer Uwe Löttgen-Tangermann den Olympiasieger vor, der trotz seiner Behinderung Tischtennisspieler wurde - und ein Kämpfer.

Dem 44-Jährigen fehlen von Geburt an beide Unterarme, sein rechter Oberschenkel ist verkürzt. Bevor Schmidt seine Sicht vom Glück noch weiter erläutert, lässt der Honnefer Pfarrer aber zunächst das Publikum Fragen beantworten: Wann waren Sie glücklich? "Als ich nach zehn Tagen unbeschadet aus dem Koma erwachte", nennt eine ältere Dame einen Augenblick des Glücks.

"Wenn ich nicht zu viel erwarte, kann ich nicht unglücklich sein", verrät ein Herr sein Rezept. "Auch eine Möglichkeit", bescheidet Löttgen-Tangermann. Aber hat das etwas mit Christsein zu tun? "Nein", meint Schmidt, "Erfolgserlebnisse machen glücklich. Ich erhielt in Barcelona Anerkennung."

Der vielfache Medaillengewinner bei Welt- und Europa-Meisterschaften, bei Paralympischen Spielen erzählt auch vom Verliebtsein, damals als Student. "Menschen, die mir viel bedeuten, machen mich glücklich. Aber auch das hat nichts mit Christsein zutun. Eine glückliche Beziehung macht glücklich und umgekehrt. Was in Beziehungen zu Menschen gilt, gilt auch bei Gott.

Es kommt darauf an, wie meine Beziehung zu Gott ist. Als 13-Jähriger hatte ich eine gespaltene Beziehung zu Gott, da hatte ich aber auch eine gespaltene Beziehung zu mir." Damals war Schmidt seit kurzem in einem Sportverein. Zuvor hatte er während eines Ferienaufenthaltes anderen Gästen beim Tischtennis zugesehen. Gemeinsam bastelten die Urlauber ihm eine Spezialkonstruktion. Nun konnte er mitspielen.

"Ich fragte, Gott, warum hast du mich so gemacht, so unvollkommen. Eine Gottesbeziehung allein macht nicht glücklich", so sein Fazit. Aber Rainer Schmidt erkannte damals auch: "Gott liebt mich, obwohl ich nicht perfekt bin. Was auch passiert, die Bindung zu Gott bleibt." Der Theologe betont: "Mein Glück liegt darin, dass ich mich nicht mit anderen vergleiche. Mich nicht defizitär zu fühlen, das ist die Lektion des Glaubens."

Dabei bezieht er sich auch auf die Geschichte von Kain und Abel. "Gott mutet uns Ungerechtigkeiten zu. Ich habe kurze Arme, mein Bruder lange. Ich muss auf das schauen, was ich habe." Dabei entsinnt er sich eines Ferienlagers, in dem ein Mädchenschwarm dann eben auch etwas nicht vermochte, mit dem aber Rainer Schmidt punktete, mit Gesang. "Zufriedenheit ist wichtig. Ich muss nicht das haben, was die anderen haben."

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