GA-Serie Rheinische Redensart: "Ich ben jet hinge widde"

Rheinland · In der Serie „Rheinische Redensarten“ beleuchtet der GA bedeutungstiefe Redewendungen aus dem Rheinland. Diesmal geht es um den Spruch: „Ich ben jet hinge widde“.

 Ich bin etwas im Hintertreffen.

Ich bin etwas im Hintertreffen.

Foto: GA-Grafik

Auf der Straßenkarte der Rheinischen Redensarten gibt es Autobahnen, Landstraßen, Einbahnstraßen, Sackgassen und sogar Spielstraßen für Kinder. Manche Dialektwendung ist praktisch jedem bekannt, sie ist sogar in den allgemeinen Sprachgebrauch jenseits des Dialektes eingewandert, manche dagegen wird nur in einem engeren Umfeld benutzt. Teilweise sind sie nur innerhalb einer Familie tradiert, ohne dass man sagen könnte, sie gehörten tatsächlich zum Allgemeinwissen.

Letzteres betrifft möglicherweise die vorliegende Redensart: „Ich ben jet hinge widde“. Wer sich umhört unter den Mundartsachverständigen, der erntet vielfach Schulterzucken. Was soll das bedeuten? Aufklärung kann Josef Breuer (86) aus Bonn bringen. Wörtlich ins Hochdeutsche übersetzt bedeutet der Satz: „Ich bin etwas gegen hinten.“

Oder sinngemäß: Am Anschlag. Tatsächlich handelt es sich um eine Sammelformulierung für „Nicht gut drauf“, „lustlos“ oder „abgeschlagen“ sein. Unser Sprachinformant Breuer nennt ein signifikantes Beispiel: Wenn er seine Frau fragt, ob sie mit in die Stadt fahren will, kann es sein, dass sie mit Hilfe dieser Redensart abwinkt. Wenn er daraufhin eine kleinere Anschaffung zu ihrem Gusto in Aussicht stellt, kann sich ihre Meinung schlagartig ändern.

„Nur wenn sie sagt, ich ben ärch hinge widde“, also „ich bin arg am Anschlag“, dann ist wirklich gar nichts zu machen. Komme, was da wolle. Da zeigt sich mal wieder die Doppelbödigkeit der rheinischen Sprache. Hier heißt es immer wieder, sorgfältig zwischen den Zeilen zu lesen und auch mal frühzeitig eine Tendenz zu identifizieren, die logisch gar nicht enthalten ist. In einer ablehnenden Formulierung kann sich durchaus eine verklausulierte Zustimmung verstecken.

Da kommt es auf die Nuancen der Betonung an. Und natürlich auf den Gesamtzusammenhang. Im vorliegenden Fall unterscheiden sich ein „Möglicherweise“ vom kategorischen „Nein“ nur durch die Worte „etwas“ und „arg“. Eigentlich keine große Sache, aber am Ende vielleicht der Unterschied zwischen belebendem Glücksgefühl und lähmender Langeweile. Selbst schuld!

Haben auch Sie einen Lieblingsspruch, dann mailen Sie ihn uns an rheinisch@ga.de.

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