GA-Serie „Rheinische Redensarten“ Dat amortisiert sisch net

In der Serie „Rheinische Redensarten“ beleuchten wir bedeutungstiefe Redewendungen. Dieses Mal: Dat amortisiert sisch net

 Dat amortisiert sisch net.

Dat amortisiert sisch net.

Foto: GA Grafik

Sparsamkeit ist eine Zier. Wer in Zeiten üppiger Einnahmen spart, der hat, wenn es mal knapp wird. Und wenn man dann doch vom Pfad der Sparsamkeit abkommt, dann sollte es sich wenigstens um eine zukunftsträchtige Investition handeln.

Dieser Gedankengang fixiert sich in der rheinischen Redensart: „Dat amortisiert sisch net.“ Die Wendung ist prototypisch, weil darin der Dialekt eine Verbindung mit einem Wort aus der Hochsprache eingeht. Und wenn der Satz dann wie nebenbei gesprochen wird, lässt das schon aufhorchen. Der Psychologe würde sagen: Das ist eine kognitive Dissonanz. Hier stoßen zwei Welten aufeinander. Und jeder spürt sofort: Das passt irgendwie nicht zusammen. Kommen wir erst einmal zum Begriff amortisieren oder Amortisation, der in den Themenfeldern Wirtschaft, Rechtswissenschaft und Energietechnik zum Einsatz kommt. Er stammt vom französischen Verb „amortir“, was so viel heißt wie „tilgen“. Damit wird ein Vorgang bezeichnet, in dessen Verlauf eine finanzielle Investition in der Summe ihrer Erträge einen positiven Saldo erzielt. Zu kompliziert? Dann vielleicht so: Man bekommt mehr raus, als man reingesteckt hat. Die einfachste Übersetzung ins Normaldeutsch wäre demnach: „Das lohnt sich nicht.“ Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht, möchte man sagen.

Und wann kommt der Satz zum Einsatz? Immer dann, wenn man etwas geben muss. Geld, Energie, Arbeitskraft, Zeit. Es ist eine ganz natürliche Frage, ob sich das ganze auch tatsächlich lohnt. Wir erinnern uns: Die Natur hat sich stets energiesparend entwickelt. Hatte Darwin noch die Evolutionstheorie von der Durchsetzung des Stärkeren verfolgt, weiß man heute, dass dasjenige Tier überlebt und sich weiterentwickelt, das möglichst energiesparend unterwegs ist. Die Giraffe hat einen langen Hals, damit sie schon auf Augenhöhe mit den leckeren Blättern ist, und der Maulwurf hat erst gar keine Augen entwickelt, weil man in der Dunkelheit unter der Erde eh nichts sieht. Sie wissen genau, was sich amortisiert. Ebenso wie der Rheinländer. Wahrscheinlich hat er auch deshalb die Jahrtausende so vital überdauert.

Der General-Anzeiger und der Verlag Lempertz haben die neuen Kolumnen von Jörg Manhold unter dem Titel „Rheinisch für Fortgeschrittene“ veröffentlicht. Das Buch ist im Handel erhältlich.

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