Richter hält Schily Fehlentscheidung vor

Im Bonner Prozess gegen den Bananenkönig soll das Bundeskriminalamt Akten zurückgehalten haben

Siegburg/Bonn. Wie mühsam und aufwändig die Wahrheitsfindung sein kann, ist einmal mehr im großen Drogenprozess vor der 1. Großen Strafkammer des Bonner Landgerichts gegen den so genannten Bananenkönig aus Siegburg zu beobachten: Waren es zu Beginn der Hauptverhandlung die beiden Verteidiger, die das Verfahren zu torpedieren versuchten und die Kammer auf eine harte Geduldsprobe stellten, so sind es im weiteren Verlauf ausgerechnet die in dem Fall tätigen Ermittler des Bundeskriminalamtes (BKA).

Sie gefährden eine reibungslose Fortsetzung des Verfahren - und spielen damit ungewollt den Verteidigern in die Hände. Es stellt sich heraus, dass die BKA-Beamten dem Gericht reichlich Ermittlungsergebnisse- und erkenntnisse vorenthalten haben.

Dann zeigt auch noch der um Hilfe angerufene Bundesinnenminister in Berlin als Dienstherr der BKA-Beamten den Bonner Richtern die kalte Schulter: Aus der Offenlegung der zurückgehaltenen Handakten des BKA, so ein Schreiben aus dem Ministerium, ergäben sich keine Tatsachen, die für die Schuld- und Rechtsfolgenfrage von Belang seien. Die Verteidiger des 60-jährigen Früchtehändlers Arturo G., in dessen Bananenkisten im Juni 2003 400 Kilo Kokain und in dessen Schließfächern 16 Millionen US-Dollar gefunden worden waren, sehen ihre Stunde gekommen: Sie kündigen eine Klage gegen die ministerielle Entscheidung vor dem Verwaltungsgericht an und fordern bis zu einer Entscheidung die unverzügliche Aussetzung des Verfahrens.

Also schreibt Kammervorsitzender Josef Janßen Anfang Februar erneut an den Bundesminister und macht seine Bedenken geltend. Er weist den ehemals auch in Bonn als Strafverteidiger tätigen Juristen Otto Schily auf die Gefahr eines "Ermessensfehlgebrauchs" hin und auf die Bedeutung der Gewaltenteilung: auf der einen Seite das der Staatsanwaltschaft zuarbeitende BKA und auf der anderen das erkennende Gericht als das zur Entscheidung berufene Rechtsprechungsorgan, das ganz allein darüber entscheide, welche Ermittlungsergebnisse für die Schuld- und Rechtsfolgenfrage von Belang seien.

In seinem Schreiben bittet der Richter den Minister, das BKA anzuweisen, die Akten herauszugeben, dem Gericht aber auf jeden Fall seine Entscheidung bis zum Prozesstag am 21. Februar mitzuteilen.

Am Montagmorgen gibt es jedoch nichts Neues aus Berlin. Und nach eingehender Beratung macht das Gericht ein einmaliges Angebot: Wenn der Angeklagte auf die beschlagnahmten Millionen verzichte und zumindest Beihilfe zum Drogenhandel gestehe - was man ihm möglicherweise nachweisen könne - komme er günstiger davon.

Dann drohe ihm nicht mehr die Höchststrafe von 15 Jahren Haft, sondern zwischen neun und zehn Jahren. Was bei einer Haftentlassung nach zwei Dritteln und der Anrechnung der U-Haft eine Perspektive darstelle.

Unter Zurückstellung höchster Bedenken und im Sinne der Prozessökonomie ist Staatsanwältin Monika Ziegenberg einverstanden. Die Verteidiger aber nutzen die Gunst der Stunde nicht: Sie willigen nicht ein. Wenn sie darauf gesetzt haben, dass die Kammer nun das Verfahren aussetzt, so sehen sie sich gründlich getäuscht. In der Mittagspause geht doch noch ein Fax des Innenministeriums ein. In dem es heißt: Man prüfe den Fall sehr genau und entscheide nächste Woche. Janßen, der schon vor wenigen Jahren in einem höchst brisanten Drogenverfahren gezeigt hat, dass er bei der Wahrheitsfindung keine Mühen scheut und sich auch von Drohungen nicht abschrecken lässt, teilt nur mit kühler Miene den Fahrplan für die nächste Zeit mit: Weitere Zeugen sollen vernommen, und die Telefonüberwachungs-Protokolle verlesen werden.

Letzterem widerspricht die Verteidigung - mit Hinweis auf die Pannen beim BKA. Der Prozess wird nächsten Montag fortgesetzt. Gegen Arturo G.s Ehefrau wird weiter wegen Geldwäsche ermittelt. Sie soll die Millionen aus den Schließfächern geholt und bei Verwandten versteckt haben.

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