Schwarzwälder Kirschtorte stammt aus Godesberg

Der schwäbische Konditor Josef Keller erfand die weltberühmte Kalorienbombe 1915 im Café Agner - Bonner Studenten waren die ersten Abnehmer

Schwarzwälder Kirschtorte stammt aus Godesberg
Foto: Jürgen Pätow

Bad Godesberg. Das Rheinland ist bekannt für manch deftige kulinarische Spezialität wie Sauerbraten, Reibekuchen oder Blutwurst. Wie der Stadtmuseumsleiter von Radolfzell am Bodensee herausgefunden hat, zählt auch eine süße Kalorienbombe dazu: die weltberühmte Schwarzwälder Kirschtorte wurde 1915 zum ersten Mal in einem Godesberger Café serviert.

Der 1887 in Riedlingen an der Donau geborene Konditorgeselle Josef Keller war vermutlich nach seiner Hochzeit auf eine zweite Wanderschaft gegangen, die ihn in die Gegend von Godesberg führte. Hier könnte ihn die für den 1. Mai 1915 nachgewiesene Einberufung aus Koblenz erreicht haben. Als relativ alter Soldat wurde Keller wahrscheinlich in einer Feldbäckerei eingesetzt. Sein Militärausweis trägt eine Notiz des zweiten Landsturm-Infanterie-Bataillons Bonn. Zeitgleich im Militärdienst befand sich der renommierte Godesberger Konditor Eugen Agner, ebenfalls ein gebürtiger Schwabe, der sein inzwischen geschlossenes Café an der Ecke Alte Bahnhofstraße/Moltkestraße betrieb. Vermutlich bot Agner dem Gesellen Keller an, nach Zapfenstreich in seinem Geschäft zu arbeiten.

Das Café Agner zog im Sommer scharenweise Studenten aus Bonn an. Josef Keller nutzte zuerst die reiche Kirschenernte, um den Besuchern Sahne und Kirschen zur Erfrischung zu reichen. Dann hatte er die zündende Idee, aus der simplen Speise eine edle Torte zu machen. Unter seine Kirschsahne legte er einen Boden, streute Schokoladenspäne oben drauf und veredelte das Ganze mit Schwarzwälder Kirschwasser. Nach dem hochprozentigen Wässerchen nannte er seine Kreation "Schwarzwälder Kirschtorte".

Nach dem Krieg übernahm Keller ein Café in Radolfzell, dem Wohnort seiner Frau. Dort starb er 1981 im Alter von 94 Jahren. Achim Fenner, Leiter des dortigen Stadtmuseums, hat sich intensiv mit Kellers Leben und der Erfindung der Schwarzwälder Kirschtorte beschäftigt und recherchierte auch im Bonner Stadtarchiv. In seinem Museum hat Fenner nun eine Ausstellung rund um die Torte eingerichtet, die noch bis zum 28. Oktober zu sehen ist. Er glaubt fest an die beschriebene Biografie Kellers.

Die Nachkommen des Konditors hätten die Lebensgeschichte in dieser Form weitererzählt, außerdem habe Keller öfter über seine Kreation in Godesberg berichtet. "Und Keller wird mir von seinen ehemaligen Bekannten als äußerst bescheidener Mann beschrieben", so Fenner. Also keine Prahlerei.

1975 fragte eine Fachzeitschrift für Konditoren ihre Leser, ob sie die Geschichte der Schwarzwälder Kirschtorte kennen. Zwar reklamierten mehrere Konditoren die Urheberschaft für sich, doch als Keller seine Geschichte an das Blatt weitergab, erhob niemand mehr Widerspruch. Seitdem gilt Keller in Fachkreisen als Schöpfer der Spezialität. Eine rechtmäßige Urheberschaft für die Torte hat Keller allerdings nie für sich beansprucht. Das Produkt "Schwarzwälder Kirschtorte" ist daher nicht geschützt. Das Mainzer Amtsgericht hat jedoch festgelegt, was das Original ausmacht: Frische Sauerkirschen, Verzicht auf chemische Geschmacksstoffe und ein Kirschwasseranteil von mindestens 5 Prozent in der Sahnemasse.

Absolute Gewissheit über den Ursprung der Torte gibt es freilich nicht. Fenner konnte bisher nicht beweisen, dass Keller tatsächlich in Godesberg gearbeitet hat. "Für mich gibt es aber keinen Grund, an dieser Darstellung zu zweifeln", meint der Museumsleiter, der drei Jahre lang über Keller und die Kirschtorte geforscht hat.

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