Musical in Bad Honnef Als Gefühle nicht gesellschaftsfähig waren

BAD HONNEF · Die Musical-Schule Hagerhof führt am Wochenende das Stück "Frühlingswind" auf. Es basiert auf dem gesellschaftskritisch-satirischen Drama "Frühlings Erwachen" von Frank Wedekind und beleuchtet die Moralvorstellungen von vor 100 Jahren. An der Abendkasse gibt es noch Karten.

 Tragische Momente: Die jungen Menschen in dem Stück spüren den Druck der Moralvorstellungen ihrer Zeit.

Tragische Momente: Die jungen Menschen in dem Stück spüren den Druck der Moralvorstellungen ihrer Zeit.

Foto: Frank Homann

Es läuft wie am Schnürchen. Während der Bühnenausgang Mädchen für Mädchen „verschluckt“, öffnet sich hinter ihnen bereits langsam der zweite Vorhang und gibt den Blick frei auf junge Männer in weißen Hemden, die, wie an einer Perlenkette aufgereiht, an Schulbänken sitzen und aus Vergils Epos „Aeneis“ deklamieren. Während dieses fliegenden Wechsels vermischen sich die Latein-Brocken mit dem wiederholten Ausspruch der hübschen Mädels in ihren langen Kleidern: „Gefühle verboten!“

Eineinhalb Jahre harter Probenarbeit liegen hinter dem Ensemble der Musical-Schule Hagerhof. Heute Abend haben die 21 singenden, sprechenden und schauspielenden Akteure und das Musical-Orchester im Kursaal Premiere mit dem Stück „Frühlingswind“. Nunmehr im 21. Jahr bereichert diese Institution das kulturelle Angebot in Bad Honnef.

Bis zur letzten Minute wird an dem Auftritt gefeilt. Nur zwei Probentage stehen Mariana Ilgauds-Preuten und ihrem Mann Gerhard Preuten, der Chefin der Musical-Schule und dem Orchesterleiter, zur Verfügung, um das Ensemble vom „Trainingsgelände“ Hagerhof auf die Kursaalbühne ein- und umzustellen. Sie achten auf jedes Wort, auf jeden Ton und Schritt, auf den Einsatz und die richtige Beleuchtung und korrigieren noch Kleinigkeiten. Hochkonzentriert sind sie beide, und volle Aufmerksamkeit verlangen sie auch von ihren Eleven.

"Ihr müsst brennen auf der Bühne!"

„Wir brauchen Licht auf Ilse!“ Klare Anweisung von Mariana Ilgauds-Preuten. Dann eilt sie von ihrem Regiepult zu den Sängerinnen, gibt direkt Anweisungen. Und Gerhard Preuten ruft: „Ihr müsst brennen auf der Bühne!“ Die beiden Musical-Macher vom Hagerhof sind eben „Monsieur et Madame 100 000 Volt“. Mariana Ilgauds-Preuten, die eine harte Ausbildung zur Opernsängerin in Bukarest und Köln absolvierte, stachelt ihre Schüler an: „Jetzt seid Ihr 60 Prozent, Ihr müsst 150 Prozent sein!“

Nicht von ungefähr gilt die private Musical-Schule Hagerhof in der Fachwelt als professionell und als Sprungbrett für ein Studium der Fächer Tanz, Gesang und Musik. Im sehr jungen Ensemble agieren auch wieder einige Ehemalige, die das Flair dieser Aufführungen lieben. So mischt auch die frühere Bad Honnefer Schützenkönigin Nadine Müller mit. „Mein erstes Musical war der 'Tanz der Vampire‘“, berichtet die 27-jährige Mezzosopranistin.

Nun spielt sie die Ilse. Neben Wendla, verkörpert von Charlotte Wulff, eine der tragenden weiblichen Rollen des Stücks, das auf dem 1891 erschienenen gesellschaftskritisch-satirischen Drama „Frühlings Erwachen“ von Frank Wedekind basiert und vor zehn Jahren am „Off-Broadway“ als Musical uraufgeführt wurde.

Gerhard Preuten hat die beeindruckende Rock-Pop-Musik für sein Orchester arrangiert. Die Musiker sitzen vor der Bühne des Kursaals. Oben spielt sich eine Welt ab, in der die Erwachsenen das Sagen haben. Autor Wedekind stellt in seinem Stück die engen bürgerlichen Moralvorstellungen vehement infrage und ergreift Partei für die Heranwachsenden.

Sie sind jung, unaufgeklärt, glauben aber auch nicht mehr an den Klapperstorch. Wendla Bergmann wird von der Mutter zum Beispiel ermahnt, das längere, anständige Kleid anzuziehen. Als frischgebackene Tante fragt Wendla: „Wie geht das? Ich glaube nicht an den Storch.“

Die Figur des Moritz ist eine tragische Rolle

Auf der Seite der Jungen stehen Max Wolf als Melchior Gabor und Joshua Neumann als Moritz Stiefel im Mittelpunkt der Handlung. Für Joshua ist es die größte Rolle, seit er vor acht Jahren das Musical als Hobby entdeckte. Die Figur des Moritz ist eine tragische – er erschießt sich, denn er leidet unter Schuldruck. Neumann: „Es ist eine Herausforderung für mich, diese Figur mit ihren Ecken und Kanten zu spielen.“

Moritz' Freund Melchior hat eine Liebesbeziehung zu Wendla – mit Folgen. Das Mädchen stirbt nach einem Besuch beim Engelmacher. Und Melchior? Er wird für Moritz' Tod verantwortlich gemacht, denn ihm sollte er seine Erfahrungen über die Sexualität aufschreiben. Dieses aufgefundene Manuskript wird als Ursache für den Freitod hingestellt, den Moritz in Wahrheit jedoch als letzten Ausweg vor dem Sitzenbleiben wählt.

Gelungen auch die Auftritte von Jura-Student Gregor Biesenbach (20) als strenger Direktor Sonnenstich, der beim Reden Schmatzlaute von sich gibt und seine Schüler mit dem Rohrstock traktiert. Ein Ausflug in die Welt vor über 100 Jahren, aktuell aber in Hinsicht auf Erziehungsverantwortung von Eltern und Gesellschaft.

Weitere Aufführungen im Kursaal am Samstag und Sonntag, 21. und 22. Mai, jeweils 19 Uhr; am Sonntag zusätzlich um 14 Uhr. An der Kasse gibt es für alle Vorstellungen noch Karten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort