Erste Probe nach Corona-Beschränkungen Die Lieder MGV Liederkranz Aegidienberg erklingen wieder

Aegidienberg · Nach einer langwierigen Corona-Pause dürfen Chöre jetzt wieder gemeinsam singen. Der MGV Liederkranz Aegidienberg traf sich deshalb im Bürgersaal zur ersten Probe – dabei kamen den Teilnehmern selbst einfache Stimmübungen wie eine große Oper vor.

 Auf die erste Probe nach der Corona-Pause hatten sich die Mitglieder des MGV Liederkranz Aegidienberg sehr gefreut.

Auf die erste Probe nach der Corona-Pause hatten sich die Mitglieder des MGV Liederkranz Aegidienberg sehr gefreut.

Foto: Frank Homann

Chorleiter Guido Wilhelmy schonte seine Sänger. „Heute singen wir nicht die Messe von Mozart“, sagte der Dirigent des MGV Liederkranz Aegidienberg. Aber auf Spitzenleistungen kam es auch gar nicht an. Alle Sänger waren einfach nur überglücklich, sich nach der langwierigen Corona-Pause wiederzusehen. „Endlich wieder gemeinsam singen“ – nicht nur Vorsitzender Mirko Lorenz konnte die erste Probe mit seinen Chorfreunden kaum erwarten.

Der MGV Aegidienberg besteht seit 1875. Kriege hatten ihn gezwungen, den Betrieb einzustellen, nach dem Zweiten Weltkrieg bildete der Liederkranz wegen Männer-Mangel vorübergehend sogar einen gemischten Chor. Aber dass ein Virus auf Anordnung hin das komplette Vereinsleben lahmlegt, das hatten auch die Vorfahren des Traditionsvereins nicht erlebt. Im September vergangenen Jahres hatten die Sänger gerade drei Proben absolviert, da war schon wieder Schluss. Bis jetzt – als endlich die Inzidenzzahlen in den Keller gingen wie der tiefste Bass.

Genug Abstand im Bürgersaal

 Von der Stadt hatten die Sänger die Erlaubnis erhalten, den Bürgersaal zu beziehen, um den geforderten Abstand zu wahren – die Sänger mussten ausreichend Platz zwischen sich lassen, der Chorleiter saß auf der Bühne am Klavier. „Ihr seid weit weg von mir, das ist wie auf dem Kirmesplatz. Aber Hauptsache, die Vereine kommen wieder ins Laufen“, sagte Dirigent Wilhelmy seinen Männern, die ihn mit Beifall empfangen hatten. „Jetzt gucken wir mal, ob ihr überhaupt noch Töne rauskriegt.“ Der Dirigent machte die Übung vor: „Ja, ja, ja, ja… einfach nur den Unterkiefer bewegen…“ Und die Sänger folgten. „Ihr werdet es kaum glauben, das hört sich richtig gut an“, lobte Guido Wilhelmy. Und dann ging es weiter, mit und ohne Klavierbegleitung: „Suse, suse, suse…, hahahahaha…“ Tenöre allein, Bässe allein, alle zusammen.

 Normalerweise lästige Stimmübungen wurden nach dieser monatelangen, unfreiwilligen Gesangs-Diät zur großen Oper. Die Männer hatten sichtlich Spaß schon bei diesem Auftakt, wirkten förmlich ausgehungert nach gemeinsamem Gesang. „Meine Stimmbänder müssen sich erst daran gewöhnen“, meinte denn auch der zweite Bass Bernd Gierig, „das ist sehr anstrengend, ich hatte während der Corona-Zeit sehr wenig Kontakte, meine Stimmbänder sind gar nicht im Training.“ Aber unter der fachmännischen Anleitung des Chorleiters wirkten sie wieder wie „geölt“.

Mit der Enkelin geübt

 Guido Wilhelmy wollte wissen, was die Herren in ihren Liedermappen haben. „Weihnachtslieder“, rief ein Spaßvogel. Da bevorzugte der Dirigent dann doch eher „Drink doch eine met“. Weil: „Ich möchte sehen, ob ihr den Text noch könnt.“ Ein Klassiker, den hatten die Männer selbstverständlich im Kopf. Vorsitzender Lorenz fand nach dem ersten Durchlauf: „Das war etwas zu schnell.“ Und Wilhelmy wusste: „Wir müssen uns erst wieder daran gewöhnen, im gleichen Tempo zu singen.“ Nicht verwunderlich nach dieser langen Pause. „Ich habe einmal in der Woche mit meiner zweijährigen Enkeltochter Juli gesungen“, erzählte Eberhard Bialkowski. Der zweite Vorsitzende: „Die kannte die Lieder aus dem Kinderliederbuch und berichtigte mich bei Fehlern. Da habe ich gleich immer an dich gedacht, Guido.“

 Kein Kinder-, aber ein Scherzlied ist das Stück „Et Leed vum Melke“, das eine gehörige „Schlagzahl“ der Zunge erforderte. „Op der Alm, do stund en Sennerin … bom bom bom bom … Bommeladebom Bommeladebombombom …“ Aber die Herren hatten sichtliches Vergnügen daran. Wilhelmy: „Die erste Strophe noch einmal, in den nächsten Proben werden wir das noch einmal festigen.“

1000 Notenblätter im Bestand

 Erster Tenor Herbert Zeisel: „Ich musste erst meine Stimme wiederfinden. Ich habe in den letzten Monaten nur im Auto gesungen, Rockballaden am liebsten.“ Auch Erster Bass Hans „Pit“ Clever war glücklich: „Ich bin froh, wieder mit den anderen singen zu können.“ Das ging auch Rudi Kressner so, der anlässlich seiner Schnittlauchhochzeit direkt einen ausgeben wollte. Die Mitgliedschaft im MGV geht eben weit über das gemeinsame Singen hinaus und ist auch Kameradschaft. Die hat allen gefehlt. Mirko Lorenz: „Wir sind eine verschworene Gemeinschaft, Hilfsbereitschaft zeichnet unseren MGV aus. Das Alter ist egal.“

 Jan Behrens war gerade erst eingetreten in den MGV und hatte lediglich drei Proben erlebt, als Corona den Schlusstakt diktierte. Nun freuten sich die Sänger, dass sie den jüngeren Kameraden wieder in ihren Reihen hatten. „Beim Karneval 2020 habe ich das Eintrittsformular unterschrieben“, so der 44-Jährige, der in den USA erst im Schulchor und dann in einem Chor des Deutschen Sängerbundes aktiv war. „Neben mir sitzt der stimmgewaltige Kurt Ziegert, der zieht mich durch bei den unbekannten Liedern.“

1000 Notenblätter hat der MGV im Bestand. Guido Wilhelmy, der auch modernes Liedgut einführte, fragte nach den Liederblättern für die „Freiheit“. Und los ging’s - es klappte auf Anhieb. Guido Wilhelmy sagte fast ergriffen: „Das war Gänsehaut, ich weiß nicht, wie lange ich das Gefühl beim Singen nicht hatte, aber jetzt ist es wieder da.“ 

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