„Gemeinsam statt einsam“ Bad Honnefer Projekt gegen Einsamkeit ist eine Erfolgsgeschichte

Bad Honnef · Einsamkeit ist ein weit verbreitetes Phänomen, erst recht seit der Corona-Pandemie. Doch die wenigsten sprechen gerne darüber. In Bad Honnef läuft seit einem Jahr das ehrenamtliche Projekt „Gemeinsam statt einsam“. Eine kleine Erfolgsgeschichte.

 Einmal pro Woche besucht Susanne Langguth (l.) Bärbel Budde zum gemeinsamen Kaffeetrinken und Plaudern.

Einmal pro Woche besucht Susanne Langguth (l.) Bärbel Budde zum gemeinsamen Kaffeetrinken und Plaudern.

Foto: Frank Homann

Ob sich Bärbel Budde immer an den Namen ihrer Besucherin erinnert? Susanne Langguth ist sich da nicht sicher. „Aber sie weiß: Ich bin die, die einmal in der Woche kommt und mit ihr Kuchen isst.“ Seit rund einem Jahr schaut Langguth bei der 84-jährigen Dame, die an einer leichten Demenz-Erkrankung leidet,  in der Bad Honnefer Senioreneinrichtung „Wolke 7“ vorbei, plaudert bei einer Tasse Kaffee mit ihr über dies und jenes. Zusammengebracht hat die beiden Frauen ein Projekt, das sein Bestehen letztlich der Corona-Pandemie verdankt und einen aussagekräftigen Namen trägt: „Gemeinsam statt einsam“.

Einsamkeit sei doch so ein Wort, das immer noch mit Scham behaftet sei, findet Langguth. „Wer gibt schließlich schon gerne zu, sich einsam zu fühlen?“ Dabei werde das Problem allein schon mit Blick auf den demografischen Wandel an Bedeutung gewinnen. Mit der Corona-Pandemie samt Lockdowns und Kontaktbeschränkungen kam eine neue Dimension hinzu. Langguth, selbst Mitglied in der Bad Honnefer Seniorenvertretung, stieß per Zufall auf ein Projekt in Recklinghausen, das einander bislang fremde Menschen zusammenbringt, und stellte es in dem Gremium vor.

Mehrere Vereine und Institutionen beteiligt

Mit Erfolg, wie Hans-Christoph Anders, Vorsitzender der Seniorenvertretung, bekräftigt: „Wir haben nach der Beratung sogleich entschieden, uns für dieses Projekt in Bad Honnef einzusetzen und die Idee weiterzuverfolgen.“ Schnell sei aber auch klar gewesen, dass ein solches ehrenamtliches Engagement sinnvollerweise auf mehrere Beine gestellt wird. Die Partner waren schnell gefunden: Neben der Seniorenvertretung sind „Hauptsache Familie – Bündnis für Bad Honnef“, der Verein „Gesundes Bad Honnef“, die aktiven Senioren der Johanniter und die Bad Honnefer Malteser sowie der Fachdienst Soziales und Asyl der Stadt Bad Honnef, Bereich Integration, mit im Boot.

„Wir wussten bereits aus anderen ehrenamtlichen Projekten: Da steckt häufig viel mehr dahinter“, erinnert sich Fachdienstleiterin Nadine Batzella. Etwa zu Beginn der Corona-Pandemie, als viele Ehrenamtliche Einkäufe für Senioren übernahmen. „Menschen schütteten da ihr Herz aus, weil sie niemanden sonst zum Erzählen hatten“, sagt Batzella. Auch bei der Stadt habe man daher die Projektidee gerne aufgegriffen.

Vor allem Frauen melden sich

„Die erste Frage lautete ganz pragmatisch: Wie erreichen wir die Menschen?“, so Batzella. Die Projektpartner erstellten einen  Flyer und verteilten ihn in Arztpraxen, Apotheken und Kirchen. Etwas Anlaufzeit habe es gebraucht, räumt Batzella ein. Doch mittlerweile, rund ein Jahr nach dem Start, gebe es immer mehr Anfragen: Zwölf Ehrenamtliche betreuen derzeit 16 Senioren. Seniorinnen, um genau zu sein. Kürzlich jedoch habe sich auch der erste Mann gemeldet.

Jessica Voß und Felix Trimborn sind beim Fachdienst der Stadt die Ansprechpartner – für diejenigen, die sich ehrenamtlich engagieren, und für diejenigen, die das Angebot gerne wahrnehmen möchten. Und wie werden beide Seiten zusammengebracht? „Das Date ist nicht ganz blind“, sagt Langguth mit einem Augenzwinkern. Der Fachdienst schaue, welcher Anrufer mit welchem Ehrenamtlichen zusammenpassen könnte. „Viele der Anruferinnen möchten etwa gerne eine gleichaltrige Frau als Gesprächspartnerin“, hat Batzella festgestellt. Die ehrenamtlichen Helfer erhielten ihrerseits eine Art kleinen Steckbrief, um sich auf ihr Gegenüber einstellen zu können.

Trommel-Workshop oder gemeinsam zum Sport

Neben Telefonaten gehe es häufig auch um gemeinsame Spaziergänge. Eine Dame wünschte sich jemanden, der sie zum Friedhof begleitet, nachdem sie auf dem Weg einmal schlimm gestürzt war. Laura Solzbacher vom Bündnis „Hauptsache Familie“ hat beobachtet, dass zwischenzeitlich auch über andere ehrenamtliche Projekte in Bad Honnef wie den Einkaufsdienst Bekanntschaften, ja Freundschaften entstanden sind. „Zum Teil hatte da der Zufall die Hand im Spiel“, sagt Solzbacher. „Die einen waren jetzt gemeinsam bei einem Trommel-Workshop, andere treffen sich regelmäßig zum Sport.“

  Wichtig sei, das Angebot weiter bekannt zu machen, findet Holger Heuser, Erster Beigeordneter der Stadt. „Das Projekt ist ein Beispiel für das große bürgerschaftliche Engagement in der Stadt“, findet er. Und kann das auch mit Zahlen belegen: So gab es etwa zu Beginn der Pandemie 120 Menschen, die sich für ehrenamtliche Projekte gemeldet hatten. Derzeit seien mehr als 300 Männer und Frauen registriert. Bei nächster Gelegenheit, so sagt Batzella, sei eine Veranstaltung geplant, bei der das Thema Einsamkeit von allen Seiten beleuchtet werden soll. „Die Gründe und Hintergründe zu erforschen, kann nie schaden.“

Susanne Langguth wird Bärbel Budde am nächsten Donnerstag wieder treffen. Und mit ihr Kaffee trinken und ein Stück Kuchen essen. „Wenn ich dann wieder aufbreche, sagt sie manchmal: Ach, bleiben Sie doch noch ein bisschen. Ich hab‘ noch Zeit“, erzählt Langguth. „Das freut mich dann sehr. Solche Begegnungen sind eben nie nur eine Einbahnstraße.“

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